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Und jede Nacht ist Halloween

Und jede Nacht ist Halloween

Titel: Und jede Nacht ist Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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selber oder irgend etwas ähnlich Tiefes, ungefähr so tief wie eine Fußbadewanne. Wie sehr er auch denken mochte, daß er meine geheimsten Wünsche kennen würde, ich blieb in bezug auf ihn im dunkeln. Ich fragte mich, wie ein Mensch einen solchen Anspruch vertreten konnte. Und ich fragte mich, ob alle, die für ihn arbeiteten, ihn haßten und gleichzeitig liebten — intensiv und in gleichem Maße. Aber am meisten fragte ich mich, als ich da zitternd neben ihm in unserer Untergrundhöhle saß, ob ich mich wieder in Therapie begeben sollte.

Hau den Laden in Stücke

    Nachdem ich mich so gegen zehn aus dem Staub des Blood-&-Iron- Hauptquartiers gemacht hatte, war meine erste Tat, Alex von der Straße aus anzurufen. Ich wollte sicher sein, daß Crip Beluga nicht irgendwann in der Nacht aufgekreuzt war, um Crutch abzuholen, die dann wahrscheinlich ungeahnte Scheußlichkeiten hätte über sich ergehen lassen müssen. Alex berichtete, daß dies nicht geschehen sei. Nichtsdestotrotz fühlte ich mich nicht sicher mit den beiden in meiner Wohnung. Der Morgen war jung. Lars und eine Meute von Bikerkötern könnten jederzeit aufkreuzen. Ich sagte Alex, er solle Crutch zum Savarin, einem griechischen Coffeeshop auf der Flatbush Avenue, ausführen und sie weder verlassen noch Weggehen lassen, ehe er nicht von mir gehört hätte. Er war erstaunlich freundlich, wenn man die Art, mit der ich ihn letzte Nacht behandelt hatte, bedachte. Ein Teil von mir bedauerte unsere nächtliche Auseinandersetzung, aber ich konnte wohl kaum für Nachtgedanken um Verzeihung bitten oder etwas zurücknehmen, das nicht ungesagt hatte bleiben können. Ich beschloß, es zu verdrängen. Ich flog wie eine Revolverkugel zum Do-It-Right-Büro.
    Times Square war wie üblich voll mit karibischen Räucherstäbchenverkäufern, Dealern, Bettlern und den einsamen Zeugen Jehovas, die durch ein Megaphon brüllten, um die sündigen Verdammten zu retten. Ich ging die vier Treppen zu Fuß hoch und fand die Bürotür verschlossen vor. Schon mal ein gutes Zeichen. Die TDK-Neon-Strobe-Reklame auf dem Newsday-Gebäude zwinkerte mir zu, während ich mich auszog. Ich hatte diese Hacken und den Mini viel zu viele Stunden lang getragen, und meine Taille brachte mich langsam um vor Schmerz. Ich habe immer eine 501 in der untersten Schublade. Außerdem gibt’s da eine Benetton-Strickjacke (schwarz), ein Paar Tennisschuhe (rot, ohne Schnürsenkel) und eine Flasche Miss Dior. Ich zog mich um, legte Parfüm an und fühlte mich damit einigermaßen erholt. Mein Kopfweh wurde überhaupt nicht schwächer. Ich hatte einen Kater, wie jede liebestolle Katze ihn sich nur wünschen könnte. Es hätte schlimmer sein können. Ich erinnerte mich daran, daß Schlafmangel auch spirituell erleuchtend sein könnte. Aus gar keinem Grund — was zuweilen der beste aller Gründe sein kann — bediente ich mich einiger Gläschen Amaretto. Nicht gerade ein Aspirin, aber er half. Ich war fit für den Tag und jedwede Hiobsbotschaft, die man mir in den Rachen zu stopfen gedenken könnte. Ich hörte den Anrufbeantworter ab — keine Nachrichten. Und ich verbrachte einige Zeit damit, Streichholzheftchen in meinen Hut zu schnippen. Ich zündete meine erste Zigarette des Tages an. Sie schmeckte hervorragend.
    Gegen Mittag kam ein Anruf. Bis dahin hatte ich ungefähr fünfzig Würfe verbaselt und ein halbes Dutzend Zigaretten angezündet. Es war Detective Dick O’Flanehey aus dem Beekman Downtown Hospital. In der Notaufnahme. Meine erste Reaktion war Sorge um Alex. Instinktive Beschützerei. Dabei wußte ich, daß er gerade gemütlich in einem Teller mit pochierten Eiern auf Toast und hausgemachten Pommes mit extra Fett ertrank — sein übliches Frühstück.
    »Schätzchen«, bellte Detective Dick in den Hörer, »du hast allen überhaupt möglichen Ärger.«
    »Sag mir was, was ich nicht schon selber weiß.«
    »Krieg deinen Arsch hier runter. Das ist ein Befehl.«
    »Und wer, soll ich sagen, schickt mich dahin?«
    »Ich bin in der Aufnahme.« Er legte auf. Mir graute davor, auszugehen. Es waren gerade mal fünf Grad unter Null, und ich hatte keine Strümpfe, geschweige denn Unterwäsche an. Ich stapfte hinaus in die scharfe Kälte und winkte auf dem Broadway eine Taxe heran, die in Richtung Downtown fuhr. Ich checkte, ob Nick Vespucci in seinem grauen Schlitten hinter mir war, aber ich sah nichts. Also lehnte ich mich in den lederbezogenen Rücksitz und pulte die Schiene von meinem kleinen Finger ab.

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