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Und jede Nacht ist Halloween

Und jede Nacht ist Halloween

Titel: Und jede Nacht ist Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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er pathologisch mörderisch veranlagt, dachte ich und erinnerte mich an Crips zermanschte Haxen. Das Rockerpack wieherte und jodelte wild über Lolas Kurzcharakterisierung. Ein langarmiger Harleyist klatschte Smith kameradschaftlich zwischen die Schulterblätter.
    »Haltet eure Scheißschnauzen, alle.« Das war Lola. »Das hier ist ja wohl ein verdammter Haufen von Schmierölheinis.«
    Zu meiner Erleichterung schien Smith von dieser ganzen Angelegenheit eher peinlich berührt zu sein als in Rage gebracht. Immerhin erlaubten die Schmieris einer blonden Frau, sich jede Menge herauszunehmen. Ich analysierte die Situation. Zwölf gegen zwei schien tatsächlich relativ eindeutig gegen uns, und im übrigen hatte ich so meine Zweifel, ob ich mit Smith ganz allein klarkommen könnte. »Zu viele Köche verderben das Gulasch, Smith«, sagte ich.
    Er fragte: »Was, meine Jungs?«
    »Das ist nicht so schick auf der Straße hier«, sagte ich. »Ich habe Nachbarn mit Ferngläsern. Das ist einfach schlechter Stil.«
    »Keinerlei Geschmack«, fügte Lola hinzu. »Verfickter Abschaumtyp.«
    Ich zuckte zusammen. Mit dem Kommentar war wahrscheinlich — nach meiner Einschätzung — ihre Sympathievorgabe aufgebraucht, und ich erwartete, daß Smith jetzt einen Luftröhrenschnitt ohne Anästhesie an ihr vollbringen würde. Statt dessen senkte er seinen Kopf und begutachtete seine schwarzen Fingernägel. Sein Pferdeschwanz wippte hinten in die Höhe. Lola hatte recht, er war Abschaum, aber mit einem regelmäßigen Reinigungsprogramm könnte er sich noch zu einem hinreißenden Typen entwickeln. Er hob seinen Kopf und schaute kurz in Lolas Richtung. Sie griente und drehte die Augen himmelwärts, als ob sie darum betete, von seinem Blick erlöst zu werden. Dann warf sie ihre Augen auf ihn, sehr gelackt irgendwie. Ich hätte schwören können, daß Smith errötete, aber das hätte auch nur vom Januarwind sein können. Lola zog ihre Arme hinter ihren Rücken und verschränkte dort ihre Hände — das Resultat war eine sofortige Zunahme ihres Brustumfangs. Smith bemerkte das wohl und wuchs ein paar Zentimeter. Lola kriegte das mit und bewegte ihre Schultern hin und her. Smith schaute seine Fingernägel an, dann zurück zu Lola. Er grinste wie ein kleiner Junge, der gerade sein lang vermißtes Feuerwehrauto wiedergefunden hat.
    Es war jedenfalls Liebe. Und das erfüllte mich mit Staunen und Hoffnung. Nicht nur ich war Zeuge dieses kleinen Schauspiels, auch die Meute hatte das mitbekommen. Wir schauten alle schweigend zu. Es war da etwas Verzaubertes — selbst die Rotte von Motorradfahrern schien bewegt zu sein. Ich überdachte einen Moment lang die süßen Geheimnisse des Lebens.
    Smith hakte seine Daumen unter die Achseln seines Blaumanns und sagte mit Inbrunst: »SCHWACHKOPF.« Der so angeschnauzte Riese ging in Habtachtstellung. »Mach dich vom Acker. Sag Strom, daß ich in einer Stunde dasein werde. Ich werde Wanda mitbringen.«
    Gesagt, getan, der Schwarm flog auf und davon, die Flatbush runter und zur Manhattan Bridge. Sie segelten paarweise die Straße entlang, mit blitzenden Farben und röhrenden Motoren. Es war ein irrer Anblick, vor allem wenn sie an roten Ampeln hielten. Ich war froh, daß ich heute meine Brille aufgesetzt hatte.
    Smith richtete seine Guckis auf Lola. Sie trat wie von seinen Strahleglubschern hingezogen auf ihn zu, mit schwingenden Hüften, die wirkten, als würden sie von Flaschenzügen bewegt. Er wurde durch ihr Herannahen sichtlich unruhig: besorgt und aufgeregt in Anbetracht der herannahenden Verheißungen. Ich fühlte, wie eine Woge Rührseligkeit in meinem Hals hochstieg — immerhin, lieber das als Amaretto. Ich fragte mich, ob so ein Moment für die Kodak-Reklame in Frage käme.
    Auf der letzten Stufe der Treppe traf Lolas Hacken einen winzigen Flecken Eis, und sie stolperte in einer wenig hübschen Position nach vorne. Smith fing sie, kurz bevor sie auf der Straße landete, auf und schwang sie tarzanmäßig in seine Arme. Sie lächelte hübsch und klimperte mit ihren lila Wimpern. Dann rankte sie ihre Arme um seinen Hals. Die beiden blieben einen Moment zu lange still stehen. Dann ließ er sie sanft und vorsichtig wieder auf ihre Füße gleiten. Ich wunderte mich, wie dieser zarte Mann mit einer rostigen Brechstange Crips Beine zu einer fleischigen Masse hatte zusammenprügeln können.
    Dieser Gedanke holte mich sehr schnell wieder hinter meiner rosarot getönten Kitschbrille hervor, und ich spürte eine

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