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Und jede Nacht ist Halloween

Und jede Nacht ist Halloween

Titel: Und jede Nacht ist Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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von Smith. Sein blondes Haar war offen und hing gerade herunter, und er sah mehr als sonst aus wie ein Boheme-Nazi. Ich überlas den Namen bei der zweiten Inspektion nicht noch einmal. Zu lesen war: Sonny Vespucci. Ich fragte mich, ob Strom das wußte.
    Die Fahrerin wechselte die Spur, und der Schwenk ließ mich aufsehen. Nebenan schwamm ein grauer Hai gleichmäßig auf dem Highway. Ich ließ mich auf den Boden fallen. Als Reflex fing mein kleiner Finger an zu pulsieren. Ich hob den Kopf, um einen Blick zu riskieren. Die schwarzen Fenster und die massige Gestalt des demnächst glatzköpfigen Gigantor am Steuer waren nicht zu verwechseln. Nick Vespucci, Großväterchen aus Sing-Sing, war ohne Zweifel sein fröhlicher Passagier. Ich konnte es nicht fassen, daß ich es versäumt hatte, sie an der Brücke zu entdecken. Und seit Meilen schon hatte ich immer wieder mal nach Smith — soll heißen Sonny — Ausschau gehalten. Sonny hätte Saint Nick von seinem Bikephone aus anrufen können — allerdings hatte er ja keines. Und selbst wenn er eins hatte, dann nahm Smith wahrscheinlich an, daß ich in Manhattan Zuflucht suchen würde. Nein, das paßte alles nicht zusammen. Ich sagte der Fahrerin, sie solle sich hinter die Limousine manövrieren und ihr folgen. Sie sagte: »Geht klar« und arrangierte fachmännisch die ganze Anordnung neu. Gigantor bemerkte die Aktion kaum. Ich fragte mich, wohin wir fuhren. Ich flocht meine Haare und klappte meinen Kragen hoch. Ich sang Lieder von den Carpenters, damit ich nicht zuviel Oberwasser kriegte. Die sicherste Art, eine Glückssträhne zu verlieren, ist, darüber nachzudenken. Also hörte ich auf zu denken.
    Wir tuckerten nach Forest Hills ein, ehemals Heimat des U.S. Open, ehe das Turnier in die billigere Bude in Flushing zog, neben das Shea Stadium. Ich hatte mich gerade durch »Top of the World« und »We ’ve Only Just Begun« geschmachtet. Die Lieder paßten zum Ort. Downtown Forest Hills war so vorstadtmäßig, wie es in New York City überhaupt geht, mit richtigen Häusern, Vorgärten, sauberen Straßen, jungen Ehepaaren und pensionierten Geriatriepatienten. Das gesamte Nachtleben spielte sich in Joe’s Calzone-Bude ab, und die schloß sonnabends um zehn. Wir fuhren an geduckten städtischen Gebäuden und Bingo-Etablissements vorbei, und schließlich glitt der Hai in die runde Auffahrt des Lemon Tree Convalescent Home. Wie praktisch — wir würden uns also nicht mehr nach dem Weg erkundigen müssen. Meine Fahrerin hielt an der gegenüberliegenden Straßenecke. Sie schnipste das Taxameter ab, während ich Gigantor zusah, wie er sich aus dem Auto herauswand und die hintere Tür für Nick öffnete. Der trug seine üblichen Seidenpyjamahose und hielt eine gehörige Portion Beef Jerky in der Hand. Sie verschwanden im Haus. Meine Fahrerin drehte sich erwartungsvoll zu mir um. Sie hatte sich ein großzügiges Trinkgeld verdient und wollte es auch bekommen. Das Taxameter blinkte mir dreiundzwanzig Kracher in die Pupille. Ich holte entspannt einen Scheck aus meiner Brieftasche und bat um einen Stift. Sie ließ ihre Kaugummiblase platzen und annoncierte: »Keine Schecks.«
    »Ich bin ansonsten ein bißchen knapp.« Meine Bargeldreserven beliefen sich auf ganze fünfzehn Eier.
    Sie sagte: »Ich rette dich und folge einem Angeberschlitten quer durch das verdammte Queens, und du erzählst mir, du bist knapp bei Kasse.«
    »Ich schick’ dir fünfzig. Trau mir. Ich bin eine Frau, ich leg’ dich nicht aufs Kreuz.«
    »Dieser schwesterliche Schrott zieht bei mir nicht.«
    »Gibt’s hier nicht irgendeinen Geldautomaten?«
    »Wir sind im verdammten Queens.«
    »Wie wär’s mit einem Travellerscheck?«
    »Laß mal sehen.« Ich zeigte ihr den Scheck vom Typen aus der Subway, und sie wies ihn mit einem Schnalzen zurück. »Charlie heißt du ja wohl nicht«, sagte sie, »aber diese Ohrringe sind klasse.«
    Es waren meine Ylang-Ylang-Hängeperlen, die mir Alex zu unserem Sechsmonatigen geschenkt hatte. Als ich später im Laden im Herald Center noch einmal spionieren ging, erzählte mir die Verkäuferin, sie hätten 45 Dollar gekostet. Geizkragen, dachte ich. Ich hatte für diese Scheißlederjacke 200 ausgegeben.
    »Kommt nicht in die Tüte, meine Liebe. Das hat Erinnerungswert.«
    »Du hast ja eigentlich keine andere Wahl, nicht wahr?« Sie lächelte. Ihre Zähne waren eigentlich sehr hübsch.
    Ich hakte den Flitter ab und warf ihn ihr zu. »Nimm die verdammten Ohrringe«, sagte ich.

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