Und jeder tötet, was er liebt
Hände auf dem Rücken.
Während das Band lief, ließ Anna Alfons Lüdersen nicht aus den Augen. Ungerührt saß er da und hörte sich die Aufnahme bis zu Ende an. Dann schaute er spöttisch zu ihr hinüber.
„Glauben Sie etwa, mich mit diesem billigen Trick irritieren zu können?“
„Dieses Gespräch ist gestern Abend aufgezeichnet worden.“
„Und natürlich vor Zeugen.“
„Wie Sie hören konnten, bin ich dabei gewesen“, entgegnete sie mit Nachdruck. Es war erstaunlich, wie kaltblütig Lüdersen sogar in dieser Situation noch die Schwachstellen der anderen erkannte.
Nun griff Günther Sibelius ein: „Herr Lüdersen, bitte nehmen Sie zu der Aussage der Zeugin Homberg Stellung.“
„Solange ich nicht weiß, unter welchen Umständen dieses Märchen hier entstanden ist, werde ich gar nichts tun.“
„Sie sind nicht in der Situation, Bedingungen stellen zu können.“
„Gut, dann antworte ich auf ein für mich fiktives Gespräch und sage Ihnen: Kein Wort davon ist wahr! Ich weiß nicht, mit welchen Mitteln Sie zu dieser Aussage gekommen sind, doch selbst wenn Ulrike freiwillig gesprochen hat, bleibt der Inhalt ihrer Angaben im Kern falsch.“
„Und was ist richtig?“
„Ich habe den Abend bei Frau Homberg verbracht. Und jetzt möchte ich endlich die Gelegenheit haben, mich mit Dr. Baumhöfner zu beraten!“
„Die Zeugin Homberg gibt weiter an, Sie hätten sich in der Mordnacht mit jemandem getroffen“, versuchte es Günther Sibelius nun mit einem Bluff. „Wer ist das gewesen? Welcher Termin ist so wichtig gewesen, dass Sie sich mitten in der Nacht auf den Weg machten?“
„Meine Herren.“ Alfons Lüdersen hatte diese Anrede ganz bewusst gewählt, Anna schien für ihn nicht mehr zu existieren.
„Sie konfrontieren mich hier mit einer Audiokassette, deren Aufnahme zweifellos unter fragwürdigen Umständen zustande gekommen ist. Es ist rechtlich nicht zulässig, mir eine diesbezügliche Beratung mit meinem Rechtsbeistand zu verweigern. Ich dränge daher mit aller Entschiedenheit auf dieses Treffen, und bis dahin ist die Unterhaltung mit Ihnen für mich beendet.“
Lüdersen war in juristischen Dingen gut informiert. Da er außerdem tatsächlich Anspruch auf das Gespräch mit seinem Anwalt hatte, unterbrachen sie das Verhör und ließen ihn telefonieren. Anna war sicher, Ulrike Homberg würde ihre Aussage auch noch einmal vor Zeugen bestätigen. Sie hatte die Wahrheit gesagt und damit einen entscheidenden Schritt getan. Sollte Lüdersen mit seinem Anwalt nur kommen, er hatte bereits verloren.
Weber nutzte die Pause, um sich beim Betrugsdezernat nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen zu erkundigen. Günther Sibelius war unterdessen zu Kuhn hinübergegangen, er wollte seinen Vorgesetzten auf den neuesten Stand bringen. Anna Greve rief noch einmal in der KTU an, um sich zu erkundigen, wo die Untersuchungsergebnisse aus Lüdersens Haus so lange blieben. Ganz besonders interessierte sie dabei, endlich herauszubekommen, was wohl in Alfons Lüdersens Kamin verbrannt worden war.
„Tut mir leid, Frau Greve“, entgegnete Dr. Fahrenhorst. „Hier sind ein paar Akten durcheinandergeraten. Ich kann die gesicherten Spuren einfach nicht finden, vielleicht sind sie auch schon bearbeitet worden. Morgen ist Herr Dr. Severin aus seinem Urlaub zurück, dann wird sich das bestimmt schnell aufklären.“
Hoffentlich wird es das, dachte Anna ärgerlich. Sie saß an ihrem Schreibtisch und überlegte, was als Nächstes zu tun war. Ob Tom und die Kinder mittlerweile schon in Dänemark angekommen waren? Hatte er den Zettel gefunden, den sie heute Morgen auf dem Küchentisch für ihn hinterlassen hatte? Ganz egal, wie es mit ihnen weiterging, Tom würde immer einer der wichtigsten Menschen in Annas Leben bleiben. Sie schreckte hoch, als sich Antonia Schenkenberg durch die Sprechanlage meldete.
„Ein Gespräch aus London für Sie.“
Anna stellte erleichtert fest, dass ihr Herz bei dem Gedanken an Jan nicht wie sonst kurz vorm Stillstand war. In diesem Moment war er für sie nicht mehr als ein Störfaktor, der sie von ihrer Arbeit ablenkte. Doch als sie einige Sekunden später seine Stimme hörte, sah sie sich wieder in seinen Armen liegen und spürte augenblicklich eine wohlbekannte Sehnsucht. Bis sie sich zur Ordnung rief und erstaunt feststellte, dass es funktionierte.
„Ich habe eben mit den Eltern telefoniert, deine Bande ist gerade angekommen. Hast du wirklich so viel Arbeit?“
Natürlich hatte
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