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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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angerufen?“
    „Glauben Sie mir, dieser Umstand ärgert mich mehr als sie. Denn wenn ich mich früher zurückgemeldet hätte, wäre dieses Theater wegen meines Alibis erst gar nicht entstanden.“
    „Wie war der Name der Dame und wo genau liegt das Hotel?“
    „Man fragt eine Nutte doch nicht groß nach ihrem Namen. Sie sagte mir, sie heiße Julie.“
    „Und weiter?“
    „Herr Weber, ich brauche Ihnen doch nicht zu sagen, dass Julie wohl nicht ihr richtiger Name gewesen ist. Das Zimmer befand sich in einem Nebengebäude der Kneipe ,Zur Singenden Wirtin‘.“
    „Wir können jetzt zweierlei Dinge tun, Herr Lüdersen. Entweder glauben wir Ihre Geschichte. Dann geben Sie uns eine genaue Personenbeschreibung der Frau, und wir lassen nach ihr fahnden und suchen die Absteige. Oder wir tun gar nichts. Ich halte Ihr angebliches Abenteuer sowieso für einen Schachzug, den Sie sich zusammen mit Ihrem Anwalt ausgedacht haben. Nach dem Motto: Besser ein beschädigtes Image als die Wahrheit, die Ihnen eine Mordanklage einbringen wird.“
    Anna hatte sich während des Verhörs ruhig verhalten, um Lüdersen vergessen zu machen, dass sie überhaupt noch im Zimmer war. Doch nun, als seine Geschichte erzählt war, mischte sie sich wieder ins Geschehen ein.
    „Was ist eigentlich mit dem ganzen Geld passiert?“
    „Wie bitte? Wovon reden Sie?“ Er war auf einmal nervös geworden.
    „Ich rede von den zwei Millionen, die Sie sich vor ungefähr einem Jahr von einem Konto der LÜBAU auszahlen ließen, bar wohlgemerkt.“
    „Von einem solchen Vorgang weiß ich nichts.“
    „Sie selbst haben den Auszahlungsbeleg unterschrieben, Herr Lüdersen.“
    Günther Sibelius bedeutete ihr, es gemächlicher angehen zu lassen, und meinte dann: „Ich glaube, wir könnten jetzt alle eine Stärkung vertragen.“
    Auf dem Flur nahm er die Kommissarin beiseite. „Wir müssen alles daransetzen, den Empfänger des Geldes herauszubekommen. In der Zwischenzeit überprüfen wir Lüdersens Aussage.“
    „Diese Geschichte ist doch absurd, Chef“, widersprach Anna. „Alfons Lüdersen ist ein wohlsituierter Mann. Wenn so einer Zerstreuung braucht, geht er in ein Edelbordell.“
    „Wir werden uns trotzdem damit auseinandersetzen müssen“, entschied Günther Sibelius. „Kümmern Sie sich um das Phantombild, Frau Greve.“
    Die Phantomzeichnung zeigte eine Frau mit blond gefärbten Haaren und runden Gesichtszügen. Nach der Beschreibung von Lüdersen war sie ungefähr einen Meter siebzig groß und an den richtigen Stellen wohlgerundet. An weitere besondere Merkmale konnte er sich nicht erinnern. Die Zeichnung entsprach dem Stereotyp einer x-beliebigen Prostituierten, sie würden sicherlich viele Frauen finden, auf die diese Beschreibung zutraf.
    Lukas Weber wollte sich später gegen Abend noch den Kollegen vom Betrugsdezernat anschließen, die Lüdersens Unterlagen prüften. Er war kein Finanzfachmann, aber immerhin hatte er eine genaue Vorstellung davon, wonach es zu suchen galt.
    Wie sie vermutet hatten, ergaben die Recherchen am Fischmarkt keinen Hinweis auf Lüdersens angebliches Abenteuer. Also konnte Anna heute pünktlich Feierabend machen, wohl zum ersten Mal, seit sie wieder beim LKA arbeitete. Es war sogar noch früh genug, um in ihrem Dorfsupermarkt ein paar Kleinigkeiten für das Abendessen zu erstehen.
    Als die Kommissarin nur wenig später ihr Haus betrat, schlug ihr eine bedrückende Stille entgegen. Nicht einmal Henry kam schwanzwedelnd und in der Hoffnung auf ein Leckerli auf sie zugelaufen. Tom und die Kinder hatten ihn mitgenommen, am Strand von Fano würde er nach Herzenslust herumtollen können. Anna goss sich den Rest aus der Whiskyflasche ein, die noch immer verloren auf dem Wohnzimmertisch stand, und beschloss, früh schlafen zu gehen. Müde stieg sie die Treppe zum oberen Stockwerk hoch, bereits im Gehen begann sie, ihre Bluse aufzuknöpfen. Oben angekommen öffnete sie den Reißverschluss ihrer Hose, zog sich ganz aus und ließ beide Kleidungsstücke auf dem Flurboden liegen. An ihren Söhnen hatte sie das oft kritisiert, aber nun war ja niemand da. Wie herrlich, einmal kein Vorbild sein zu müssen, dachte Anna, als sie die Tür zum Schlafzimmer öffnete.
    Im Dunkeln tastete sie nach dem Lichtschalter an ihrem Bett, da legte sich plötzlich eine Hand in ihren Nacken. Noch bevor sie in der Lage war, sich zu wehren, wurde sie von einem Mann, von dem sie nicht mehr als die Silhouette ausmachen konnte, auf die Matratze

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