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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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hatte Anna ihren Mann stets für seine gelassene Haltung bewundert, doch in der letzten Zeit war wenig davon übrig geblieben.
    In der VIP-Lounge saßen, wie bei fast jedem Heimspiel, Martin Kuhn und Alfons Lüdersen in geselliger Runde mit einigen anderen Honoratioren des Vereins zusammen und ließen sich ihr Bier schmecken.
    „Hat schon was, hier zu sitzen, Alfons. Guck dir die armen Kerle auf den billigen Plätzen an, die müssen sich mit Lightbier begnügen oder wie das gepanschte Zeug heißt. Nicht mal bei St. Pauli werden die Fans so mies behandelt wie in unserem nagelneuen Fußballpalast.“
    „Das war doch eine politische Entscheidung, Martin. Der HFC kann nichts dafür, dass ein paar Betonköpfe in der Behörde der Meinung gewesen sind, unsere Tribünen seien zu steil für einen Becher echtes Holsten.“
    Kuhn beobachtete seinen Begleiter, unter dessen Augen sich tiefe Schatten eingegraben hatten.
    „Muss schlimm für dich gewesen sein, die letzte Zeit nach dieser schrecklichen Sache mit Esther. Ich hoffe, meine Leute gehen schonend mit dir um.“
    „Ich will, dass der Mörder schnell gefunden wird. Da stören mich auch die beharrlichen Wadenbeißereien deiner kleinen Kommissarin wenig.“
    „Eine hitzige Person, aber das schleift sich noch ab. Vielen Dank übrigens für die Trauerkarte, ich werde übermorgen da sein. Susanne kommt auch, sie hat Esther sehr gemocht.“
    „Ich weiß, Martin.“
    „Hoffentlich ist der Kuhn heute nicht da.“
    „Sollte es Männer geben, die du nicht um den Finger wickelst?“
    Tom zog an Annas HFC-Schal und lächelte.
    „Im Ernst, ich versteh sein Geklüngel mit dem Lüdersen nicht. Man könnte meinen, die hätten ein gemeinsames Ziel.“
    Anna schaute sich um, dann duckte sie sich hinter Toms Rücken. Keine zwanzig Meter von ihr entfernt saßen Lüdersen und Kuhn in angeregter Unterhaltung beieinander. Aber für eine Flucht war es zu spät, der Chef hatte sie schon gesehen.
    „Ich freue mich auf einen Plausch mit Ihrem Schwager nach dem Spiel. Das werden Sie doch möglich machen, oder, Frau Greve? Was kann ich Ihnen anbieten, einen Sekt vielleicht?“
    Tom und die Kinder würdigte er keines Blickes.
    „Darf ich Ihnen meinen Mann Tom vorstellen, er ist der Bruder von Jan Greve.“
    Anna registrierte nicht ohne Vergnügen, wie Kuhn zurückruderte und Tom nun überschwänglich begrüßte. Dann begannen die beiden Männer eine Fachsimpelei über Fußball. Anna schaute sich nach Alfons Lüdersen um. Er war ein Stück näher gekommen, nickte kurz, als sich ihre Blicke trafen, und ging dann zu seinem Platz zurück. Er war ein vorsichtiger Mann.
    Fußball ist ein Sport, der immer gut für Überraschungen ist. Für Anna gab es Spiele, auf die freute man sich, weil sie versprachen, spannend zu werden. Es gab Spiele, da ging es nur darum, Punkte einzufahren. Man wusste vor dem Anpfiff, dass die Zeit lang werden würde. Und es gab jene Spiele, die von vornherein polarisierten. Jede Mannschaft in jeder Liga traf zumindest zweimal in der Saison auf einen solchen Gegner. Da ging es für die Fans nicht nur um Punkte, da ging es um alles. Um die Ehre, manchmal auch um eine Aversion, die an Hass grenzte. Genauso ein Spiel lag heute vor ihnen. Der Nord-Süd-Konflikt. Meist gewann leider der Süden, jedenfalls erinnerte sich Anna kaum noch daran, wann der HFC dieses Duell zuletzt für sich entschieden hatte. Anders der „kleine“ Bruder des HFC. Seit der FC St. Pauli gegen eben diesen übermächtigen Gegner aus dem Süden gewonnen hatte, schmückten sich seine Fans mit einem ganz besonderen T-Shirt. „Weltpokalsiegerbesieger“ stand darauf, und Anna besaß zum Kummer ihrer Söhne ebenfalls so eines. Sie konnten nicht verstehen, dass ihre Mutter nach wie vor auch Sympathien für diesen ewigen Konkurrenten des HFC hatte.
    Das Spiel wurde angepfiffen. Zur Pause führte der Süden mit drei Toren, Anna hoffte mit den anderen 55.000 Zuschauern im ausverkauften Stadion auf die zweite Halbzeit. Schließlich war es dem HFC in dieser Saison mehrfach gelungen, das Ruder in einer aussichtslosen Lage noch herumzureißen.
    Martin Kuhn nahm schon wieder Blickkontakt auf, winkte ihnen zu. Anna setzte sich in Bewegung, Paul und Ben trotteten hinter ihr her. Nie wieder VIP-Lounge, dachte sie.
    „Das ist also der hoffnungsvolle Nachwuchs.“ Kuhn strich Paul, dem Kleineren, über den Kopf.
    „Ihr spielt doch bestimmt auch Fußball, oder?“
    „Ich spiele Basketball und mein Bruder Tennis“,

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