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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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während dieser Zeit zu ihrem Ärger an den Geräten oder spielten Völkerball. Annas Vater war in seinen jungen Jahren ein erstklassiger Stürmer gewesen. Fast jeden Samstag hatte er seine beiden Töchter zu einem Fußballspiel geschleppt, bei Anna mit großem Erfolg. Als sie Tom kennengelernt hatte, wurde er von ihrer Familie freundlich aufgenommen. Aus dieser Freundlichkeit war Begeisterung geworden, als Ewald Lamprecht Toms kleinem Bruder, Jan Greve, vorgestellt worden war. Einen Fußballprofi in der Familie zu haben, war für ihn das Größte. Annas Vater hielt Jan für ein großes Talent und sagte ihm eine internationale Karriere voraus. Seit Jan Greve zur Mannschaft des HFC gehörte, besaß Annas Vater wieder eine Dauerkarte. Manchmal nervte er seine Bekannten mit den nicht enden wollenden Erzählungen über die Heldentaten von Jan, doch wirklich übel nahm ihm das niemand.
    Der HFC war einer der ältesten Vereine der deutschen Liga und zählte momentan 15.000 Mitglieder. In seiner gesamten Vereinsgeschichte war er niemals abgestiegen, hatte immer in der ersten Profiliga gespielt. Anna erfuhr, dass der Klub in der vergangenen Saison beeindruckende Zahlen geschrieben hatte. Da war von einer Ertragssteigerung von sechsunddreißig Prozent die Rede und von einer Rekordzuschauerzahl. Die Fans veranstalteten einen Run auf die Dauerkarten, auch fünfundneunzig Prozent der Logen waren ausgebucht. Die Kommissarin dachte mit Unbehagen an das Treiben in vielen Logen. In der letzten Zeit schien es geradezu in Mode gekommen zu sein, seine Geschäftspartner zu einem Fußballspiel einzuladen. Sie erinnerte sich an die Kanapees verschlingenden Leute, die sich für vieles interessierten, doch ganz bestimmt nicht für diesen Sport. Für den normalen Fan war es dagegen schwierig und teuer geworden, an Karten heranzukommen. Und vor einigen Monaten hatten sich Partner aus der Wirtschaft gefunden, die dem Klub ein Darlehen über vierzehn Millionen Euro gewährt hatten. Geld, mit dem der Kader verstärkt werden konnte. Der Verein schaute hoffnungsvoll in die Zukunft, denn allein durch die Beteiligung an der Champions League wurde mit einem Gewinn von acht Millionen Euro gerechnet.
    Anna reckte sich und rieb ihre Schultern, die sich durch das Sitzen hart und verspannt anfühlten. Sie las nun seit zwei Stunden und hatte noch immer nichts Neues erfahren.
    Noch einmal versuchte sie, Olaf Maas zu erreichen. Sie ließ es lange klingeln. Vergeblich.
    Sie trank ihren Kaffee und überlegte. Die nackten Zahlen allein vermittelten kein umfassendes Bild über den HFC, aber ein Verein wurde stets von Menschen geleitet. Nach einer Pause in der Polizeikantine machte sie sich daran, etwas über die Männer im Hintergrund herauszubekommen. Fürs Erste wollte sie sich auf den Präsidenten und den Geschäftsführer konzentrieren. Während sie sich wieder durch die Seiten las, kam Anna ein Gedanke, der immer mehr Raum in ihrem Kopf einnahm. Sie arbeiteten nun schon eine ganze Weile an diesem Fall, aber Esther Lüdersen war noch immer seltsam konturlos. Wie sollten sie den Täter finden, ohne eine Vorstellung von ihr zu haben? Was waren Esthers Vorlieben gewesen? Wofür konnte sie sich begeistern? Hatte sie wirklich ein so einsames Leben geführt, wie es den Anschein machte, oder hatte es auch eine andere Esther Lüdersen gegeben? Eine Frau, die ihre Affären gut zu verbergen verstand? Ihr Mann Alfons schien wenig über sie zu wissen, jedenfalls machte er keinerlei Anstalten, der Polizei zu helfen. Sie brauchten mehr Informationen, und Wilfried Hinrichs, der Vater von Esther, war dafür bisher ihr einziger Ansprechpartner. Anna musste es noch einmal versuchen, und sie würde es sofort tun.
    „Ich komme zu Ihnen, Herr Hinrichs, weil ich mir noch immer kein Bild von Ihrer Tochter machen kann. Es gibt so viele unbeantwortete Fragen.“
    Wilfried Hinrichs lehnte sich in seinem Stuhl zurück, doch es sah aus, als hätte er ein Lineal verschluckt.
    „Fragen Sie nur, vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen. Obwohl ...“, er zögerte, „vielleicht habe ich meine Tochter gar nicht so gut gekannt, wie ich dachte.“
    „Was hätte sich verändert, wenn Sie besser über ihr Leben informiert gewesen wären?“
    „Auf jeden Fall hätte ich besser geschlafen.“
    Anna wählte ihre nächsten Worte mit Bedacht, sie hoffte, den richtigen Ton zu treffen. „Ich würde gerne wissen, wie Ihre Frau gestorben ist.“
    Wilfried Hinrichs Blick verfinsterte sich. „Was hat

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