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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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Art. Anna beeilte sich, ins Bett zu kommen. Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere, doch es war unmöglich, an Schlaf zu denken. Als die Haustür eine Stunde später aufgeschlossen wurde, horchte sie auf die Geräusche von unten. Anna versuchte, sich vorzustellen, was er dort wohl machte. Nach einer Weile hielt sie es nicht mehr aus, zog ihren Morgenmantel an und ging ins Wohnzimmer hinunter. Tom schaute sie nicht an. Er saß da, ein Glas Wein in der Hand, und starrte in den Fernseher.
    „Komm ins Bett, Tom. Wir müssen morgen früh raus.“
    „Geh du nur nach oben, ich werde die Nacht im Gästezimmer verbringen. Das Bett ist ja noch bezogen.“
    „Anna!“
    Sie fühlte eine Hand auf ihrer Schulter und blickte in Webers besorgtes Gesicht.
    „Mir scheint, Sie sind wirklich müde, Sie schlafen ja mit offenen Augen. Hier ist der Bericht aus Sankt Petersburg.“
    Anna nahm die Unterlagen und fing zu lesen an. George Raimov war im Mai 1973 in einem Dorf, fünfzig Kilometer von Sankt Petersburg entfernt, geboren worden. Wie der Ort hieß, konnte sie nicht entziffern, der Name war in kyrillischen Buchstaben geschrieben. Raimov hatte dort bei seiner Familie gelebt, dann war er plötzlich verschwunden. Die Polizei vermutete, dass es an dem zuletzt gegen ihn ergangenen Haftbefehl lag.
    Der Bericht zeichnete den typischen Lebenslauf eines Kleinkriminellen. Das Schicksal hatte nicht den besten Platz für George Raimov vorgesehen. Er war in eine große Familie hineingeboren worden, die kaum das Nötigste zum Leben besessen hatte.
    „Dieser Raimov scheint da in eine Sache hineingeschlittert zu sein, die eine Nummer zu groß für ihn war. Könnte sein, dass er von seinen Komplizen liquidiert worden ist.“
    „Genauso gut könnte etwas anderes dahinterstecken. Es gibt einen Haufen Russen hier, Hamburg ist eine Partnerstadt von Sankt Petersburg.“
    „Ich glaube nicht an einen Zufall. Außerdem haben wir die Aussage der Zeugin Wegert.“
    „Sie müssen lernen, den Blick weit zu halten, Anna.“
    Lukas Weber schnippelte nun mit einem Gerät, das große Ähnlichkeit mit einer Schere für Nasenhaare aufwies, an seiner fleischblättrigen Pflanze herum.
    „Was ist eigentlich mit Kuhn los? Hat er sich wieder beruhigt?“
    „Würde ich nicht behaupten. Er hat eine Überprüfung aller nicht sesshaften Leute am Hauptbahnhof angeordnet, und verdächtig scheint ihm jeder zu sein. Seine so genannte Sonderkommission kam hier im Stundentakt an, in unserem Revier sah es zeitweise aus wie in einem Flüchtlingslager. Den alten Reimers hat er auch wieder auf dem Kieker. Kuhn meint, er könnte bei dem Mord sogar Regie geführt haben.“
    „So ein Quatsch!“ Anna verdrehte die Augen und knallte ihr Notizbuch auf den Tisch.
    „Solange wir unseren Job tun können, ist mir egal, womit der Chef seine Zeit verbringt. Von mir aus soll er weiter nach den Obdachlosen suchen, die nach seiner neuesten Theorie George Raimov engagiert haben.“
    Ein absurder Gedanke. Wovon sollten diese Leute, denen es an Geld für die alltäglichen Dinge des Lebens fehlte, einen Profikiller anheuern? Nein, die Lösung lag in einer ganz anderen Richtung. Angeblich war niemand aus Esthers Familie erpresst worden, doch Anna glaubte einfach nicht, dass das stimmte.
    „Wir müssen unbedingt an die Konten von Alfons Lüdersen und Wilfried Hinrichs herankommen.“
    „Ich ziehe ins Gästezimmer. Keiner soll sagen, dass ich mich nicht um Ben und Paul kümmere. Aber ich will, dass du mich in Ruhe lässt.“
    „Wie du meinst.“
    Im Flur klingelte das Telefon.
    „Wird bestimmt für dich sein“, murmelte Tom und ging hinaus.
    Anna seufzte. Müde nahm sie den Hörer ab.
    „Frau Greve, Olaf Maas hier, ich muss unbedingt mit Ihnen sprechen. Können wir uns treffen?“
    „Ich bin gerade dabei, schlafen zu gehen.“
    „Gut, dann morgen nach meiner Schicht. So um halb eins an dem kleinen Imbiss vor dem Karstadt in der Mönckebergstraße?“
    „Ich werde da sein.“
    Am nächsten Morgen war Anna bereits zeitig im Büro, sie wollte bis zu ihrem Termin mit Olaf Maas noch einiges aufarbeiten. Mittlerweile war es nach zehn. Seltsam, wo blieb Weber nur? Als er kurz darauf das Büro betrat, hielt er einen Stapel Faxpapier in der Hand.
    „Es ist den Kollegen in Sankt Petersburg gelungen, Holger Maiwald festzusetzen. Sie haben ihn im Park von Pawlowsk am Tempel der Freundschaft verhaftet, als er gerade mit einigen stadtbekannten Mafiagrößen sprach, zu deren Umfeld auch der

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