Und jeder tötet, was er liebt
paar Kartoffeln und etwas Gemüse vom Mittagessen. Anna schlang die Reste, ohne sie zu aufzuwärmen, in sich hinein. Für heute war es genug. Sie schaute nicht einmal mehr im Gästezimmer nach, ob Tom dort schlief. Nein, er würde nicht einfach so ohne ein Wort von hier fortgehen.
Vieles hatte Anna Greve an diesem Morgen erwartet. Einen nervösen, von Panik erfüllten Alfons Lüdersen, der überreagierte, sie vielleicht sogar bedrohte; Reste vernichteten Aktenmaterials in seinem Büro oder im Arbeitszimmer des Hauses. Nur nicht einen gefasst wirkenden Hausherrn, der trotz der frühen Stunde sorgfältig gekleidet die Haustür öffnete. Den Durchsuchungsbefehl las er aufmerksam, ohne auch nur die geringste Überraschung zu zeigen. Auch der Tross der uniformierten Beamten, der nun hinter den Kommissaren an der Eingangstür stand, schien ihn nicht weiter zu irritieren.
„Mein Anwalt wird gleich da sein.“
„Herr Lüdersen“, entgegnete Anna, „wir nehmen Sie hiermit vorläufig fest. Sie stehen unter dem dringenden Tatverdacht, Olaf Maas ermordet zu haben und Auftraggeber für den Mord an Ihrer Frau gewesen zu sein. Außerdem werden Sie des Finanzbetruges beschuldigt. Wir werden Sie jetzt mit aufs Präsidium nehmen.“
Sie wies einen der uniformierten Polizisten an, ihn abzuführen. Auf ihrem Weg zum Ausgang warf sie noch einen Blick in das Lüdersen’sche Wohnzimmer. Hier stand alles an seinem Platz, der Raum war von einer fast keimfreien Sauberkeit. Dann sah sie die Asche im Kamin liegen.
„Haben Sie gestern ein Feuer angezündet?“
Alfons Lüdersen nahm seinen gepackten Koffer in die Hand.
„Nein, wieso?“
„Da liegt noch jede Menge Asche in Ihrem Kamin.“
Lüdersen zuckte nur die Schultern, dann gab er den umstehenden Beamten die Anweisung, vorsichtig mit seinen antiken Vasen umzugehen. Alfons Lüdersen war bereit zu gehen. Er beobachtete Anna Greve, sah, wie sie nun einen ihrer Kollegen von der Spurensicherung beiseite nahm.
„Sorgen Sie dafür, dass die Rückstände im Kamin nicht vergessen werden.“
Auf dem Revier zurück kam Anna sofort zur Sache.
„Wo sind Sie vorgestern Abend und in der darauf folgenden Nacht zwischen 23 und 2 Uhr gewesen?“
„Ich habe eine Freundin besucht“, erwiderte Alfons Lüdersen gelassen.
„Wie heißt diese Frau?“
„Ulrike Homberg, sie wohnt in der Eggerstedtstraße 34. Das ist in der Nähe des Holstenbahnhofs, schräg gegenüber von der Brauerei.“
Seine Antwort kam sehr schnell.
„Sie haben ein Verhältnis mit Frau Homberg?“
„Wenn Sie es so nennen wollen. Auf jeden Fall wird Ihnen Ulrike meine Angaben bestätigen können.“
Darauf konnte Anna wetten, Alfons Lüdersen hatte ja Zeit genug gehabt, um sich ein Alibi zu verschaffen. Obwohl ihm schwere Verbrechen zur Last gelegt wurden, war dieser Mann die Ruhe selbst. Entweder war er absolut kaltblütig, oder aber er hatte, zumindest was Olaf Maas betraf, ein reines Gewissen. Als Anna Greve anschließend von ihrem Büro aus seine Angaben überprüfte, gab ihm Ulrike Homberg wie erwartet ein lückenloses Alibi für die Tatzeit. Und sie machte es sehr glaubwürdig. Die Kommissarin war gerade wieder in den Vernehmungsraum zurückgekehrt, als es an der Tür klopfte. Dr. Baumhöfner, der Rechtsanwalt von Alfons Lüdersen, schaute in die Runde.
„Guten Tag, Frau Greve“, begrüßte er Anna. „Wir haben ja neulich schon einmal miteinander telefoniert. Wenn Sie mich nun bitte in Kenntnis setzen wollen, was Sie meinem Mandanten vorwerfen?“
Günther Sibelius legte die Sachlage dar, musste allerdings eingestehen, dass der erste Verdachtsmoment gerade durch die Aussage von Ulrike Homberg entkräftet worden war.
„Sie wollen doch nicht ernstlich behaupten, dass Herr Lüdersen eine Schuld am Tod seiner Frau trägt. Womit gedenken Sie diese ungeheuerliche Anschuldigung zu beweisen?“
„Da wäre zum einen die Aussage des verstorbenen Herrn Maas und ...“
„Ich beantrage Einsicht in den Schriftsatz“, unterbrach der Anwalt Günther Sibelius.
„Diese Aussage liegt nur mündlich vor.“
Anna befürchtete, jetzt würde er ihre Indizien in der Luft zerreißen. Übrig bleiben dürfte einzig der Betrugsverdacht, für den ein bis heute unbescholtener Bürger wie Alfons Lüdersen kaum in Untersuchungshaft genommen werden konnte.
Dr. Baumhöfner sprach leise weiter. „Sie haben keine schriftliche Aussage dieses Zeugen? Was soll das, Sie können doch unmöglich ein nicht aufgezeichnetes Gespräch
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