Und jeder tötet, was er liebt
gewinnen?
Wieder wurde die Tür des Vernehmungsraumes geöffnet. Anna drehte sich genervt um, aber dann hellte sich ihre Miene augenblicklich auf.
„Weber, schön, dass Sie wieder da sind. Kennen Sie Hauptkommissar Sibelius?“
Lukas Weber setzte sich mit einem Nicken zu ihnen. Anna beobachtete die beiden Männer neben sich und hatte ein gutes Gefühl. Weber war ein besonnener Polizist, und auch Günther Sibelius verhielt sich angenehm unaufgeregt. Im Unterschied zu Weber schien Sibelius jedoch seine Mitte bereits gefunden zu haben. Auch wenn Sibelius’ kurze Haare bereits von einigen grauen Strähnen durchzogen waren, wirkte er jugendlicher als ihr um viele Jahre jüngerer Kollege Lukas Weber, den Anna schon lange nicht mehr den Nacktmulch nannte.
„Wurde der Zeuge bereits über Holger Maiwald befragt?“, meldete sich Weber zu Wort.
„Herr Lüdersen kennt den Mann, will allerdings weiter nichts mit ihm zu tun gehabt haben.“
„Ach so.“ Lukas Weber sah Alfons Lüdersen durchdringend an. „Holger Maiwald hat immerhin die Killer besorgt, die für den Mord an Ihrer Frau verantwortlich sind. Und Sie, Herr Lüdersen, haben diesen Mann gekannt. Sollte das wirklich nur ein merkwürdiger Zufall sein?“
„Hamburg hat knapp zwei Millionen Einwohner, da wird sich wohl noch ein anderer Verdächtiger finden lassen. Ich bin es jedenfalls nicht gewesen!“
„Wenn Sie uns von Ihrer Unschuld überzeugen wollen, sollten Sie langsam ein paar glaubhafte Erklärungen aus dem Hut zaubern. Wir werden weitersuchen. An Ihrer Stelle würde ich mir den Kopf zermartern, wer außer Ihnen einen guten Grund gehabt haben könnte, Ihrer Frau das anzutun.“
Alfons Lüdersen schaute spöttisch in die Runde.
„Seit wann ist es üblich, Herr Weber, dass ein Mann wie ich die Aufgaben der Polizei übernimmt? Anstatt Ihre Zeit mit mir zu verplempern, sollten Sie lieber Ihre Arbeit tun. Dafür werden Sie schließlich von uns Bürgern bezahlt.“
Günther Sibelius klopfte mit seiner Hand auf den Tisch, stellte das Tonband aus und stand auf. Dann rief er einen Beamten herbei, der Lüdersen abführen sollte.
„Gut, wir machen morgen weiter.“
„Sie wollen mich tatsächlich über Nacht in eine Zelle bringen lassen?“
„Genau das werden wir tun. Und nutzen Sie die Zeit zum Nachdenken, Herr Lüdersen.“
12
„Haben Sie sich auch gut um meine Pflanzen gekümmert, Anna?“
„Selbstredend. Sie sind schon viel kräftiger geworden, die kleinen Scheißerchen.“
Tatsächlich hatten Webers endemische Gewächse in seiner Abwesenheit den einen oder anderen neuen Trieb bekommen. Wahrscheinlich lag es daran, dass Anna sich nicht besonders um ihr Wohlergehen gesorgt hatte. Nicht einen Nebel hatte sie in den vergangenen Tagen auf den Pflanzen versprüht.
„Das glaube ich erst, wenn ich es selbst gesehen habe.“ Weber stand in der Tür des Vernehmungsraumes und schaute zu Anna Greve hinüber. „Wollen wir?“
Anna reagierte nicht. Sie starrte wortlos auf den leeren Platz ihr gegenüber, auf dem bis vor ein paar Minuten noch Alfons Lüdersen gesessen hatte. Dieser Mann schien sie vollständig durchschauen zu können. So, als würde er bereits jeden ihrer Gedanken kennen, noch bevor sie ihn aussprach. Anna zog ihrem Spiegelbild in der Fensterscheibe eine Grimasse. Schönes Pokerface.
Und jetzt hatte er auch noch diese angebliche Bekannte aus dem Hut gezaubert. Was die Frau wohl dafür bekommen hatte, dass sie Lüdersen ein Alibi für die Tatzeit gab? Anna knallte die Akte auf den Tisch. Erst jetzt bemerkte sie Webers auffordernden Blick.
„Haben Sie etwas gesagt? Egal, ich fahre jetzt zu Frau Homberg. Wollen Sie mitkommen?“
„Hat das nicht Zeit bis morgen, Frau Greve? Wir könnten doch eigentlich auf einen Wein zum Italiener gehen“, sagte Günther Sibelius mit einem aufmunternden Blick auf Lukas Weber.
„Wenn wir keine neuen Beweise gegen Alfons Lüdersen finden, müssen wir ihn morgen gehen lassen.“
„Ich muss sowieso sehen, dass ich heimkomme“, nickte Weber zustimmend. „Rita wird wenig Verständnis dafür aufbringen, wenn ich heute schon wieder so lange fortbleibe.“
„Gut, dann bin ich auch gleich weg, oder soll ich Sie begleiten?“
„Nein, nicht nötig, Herr Sibelius, wir sehen uns morgen im Büro.“
Auf der Türschwelle drehte sich Anna noch einmal um. „Ich möchte mich auch noch einmal in der Wohnung von Olaf Maas umsehen, vielleicht haben wir etwas Wichtiges übersehen.“
„Das ist doch längst
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