Und Jimmy ging zum Regenbogen
BBC -Leute hieß Gordon White. Kennen Sie ihn?«
»Nein.«
»Aber er kannte Ihren Mann. Er bat mich, Sie aufzusuchen, wenn ich wieder in Wien bin …« Mossjakow trat einen Schritt vor, als wollte er Valerie stützen. »Es tut mir furchtbar leid, Frau Steinfeld, aber ich muß es Ihnen sagen. Sie werden es auch noch offiziell erfahren, sobald die anderen Alliierten nach Wien kommen … Das Rote Kreuz ist völlig überlastet … Bitte, verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen die Nachricht überbringe, ich …«
»Welche Nachricht?« rief Martin Landau.
»Herr Steinfeld ist tot«, sagte der Major Mossjakow.
»Was?« Landau fiel mit dem Rücken gegen ein Regal.
Valerie sah den Russen an, als sähe sie ihn nicht.
»Tot, ja«, sagte Mossjakow.
»Aber wann … aber wie …«, stotterte Landau.
»Er ist schon vor einer Woche gestorben, am elften Mai. Er war leberkrank, sagte mir Gordon White.« Mossjakow sprach jetzt schnell. »Vor einer Woche, ganz plötzlich, brach Herr Steinfeld im Studio zusammen, nach einer Sendung. Sie fuhren ihn ins Krankenhaus, aber es war schon zu spät. Eine Krampfader an der Speiseröhre, hinter dem Herzen, war geplatzt. Die Krampfader ist durch die kranke Leber entstanden. Ihr Mann verblutete innerlich, Frau Steinfeld. Gordon White sagte, ich sollte Ihnen versichern, daß Ihr Mann unter keinen Umständen gelitten hat. Er fand einen ganz leichten Tod …«
»Valerie!« rief Martin Landau. »Valerie!« Er trat auf sie zu, an Mossjakow vorbei. »Beruhige dich, Valerie, ich bitte dich, immerhin, es ist ein entsetzliches Unglück, aber du darfst jetzt nicht …«
»Sei ruhig«, sagte die Frau mit dem blonden Haar und den blauen Augen zu Landau. Zu Mossjakow sagte sie völlig gefaßt: »Das muß ein Irrtum sein, Herr Major.«
»Ich fürchte, es ist kein Irrtum, Frau Steinfeld.«
»Aber ja doch!« Valerie drehte den Tonregler des Radioapparates auf laut. Eine verdeckte jugoslawische Männerstimme und darüber, tönend, die übersetzende deutsche Männerstimme erklangen: »… ich habe das Grauen überlebt. Ich bin auf dem Weg nach Serajewo. Wenn Gott auch ihnen geholfen hat, wie er mir half, dann sind meine Frau und mein Sohn gesund und wohlauf, und ich werde sie wiedersehen, und wir werden alle wieder zusammensein …«
»Da!« rief Valerie Steinfeld, während die Stimme weiter übersetzte. »Da! Wie kann mein Mann tot sein, wenn er gerade spricht! Das ist BBC , Herr Major! Ich habe den Krieg hindurch BBC gehört! Mein Mann war doch schon früher Radiosprecher! Ich kenne seine Stimme – die Stimme, die Sie jetzt hören!«
Der Russe hatte sich auf die Lippe gebissen. Nun sagte er: »Das sind diese Interviews mit Displaced Persons, nicht wahr?«
»Ja.« Valerie nickte. »Warum?«
»Die werden lange vor der Sendung hergestellt, Frau Steinfeld. Bedenken Sie, die einzelnen Interviews haben schon vor vielen Tagen stattgefunden, vielleicht vor zwei Wochen. Den Text zu dieser Sendung müßte Ihr Mann auch schon vor Tagen gesprochen haben … knapp vor seinem Tode …«
Danach schwieg Valerie, während Martin Landau stöhnend auf den Schaukelstuhl sank und eine Hand gegen sein Herz preßte.
Die Männerstimme aus dem Radio erklang: »… und wir werden ein neues Leben zusammen beginnen, ein schönes Leben in Frieden und ohne Bedrohung und Not …«
»Diese Sendungen werden vorher zusammengestellt?« fragte Valerie und sah den Russen starr an.
»Ja, Frau Steinfeld. Das sage ich doch. Auf Platten. Wir machen das genauso. Und Gordon White hat es mir erzählt, als wir über unsere verschiedenen Arten von Rundfunkpropaganda redeten. Glauben Sie es doch, bitte. Was Sie da hören, ist eine Aufnahme, die vor Tagen gemacht wurde, und wenn das die Stimme Ihres Mannes ist, dann wurde sie mindestens schon vor einer Woche gemacht.«
»Aber die anderen Sendungen, die ich gehört habe in den letzten Tagen … auch mit seiner Stimme …«
»Verlas er Nachrichten?«
»Nein, das nicht. Kommentare und … und solche Geschichten …«
»Nun, sehen Sie.«
»Das waren alles Platten?«
»Alles Platten!« Wer weiß, was für eine Stimme diese Frau für die ihres Mannes hält, dachte der Russe beklommen.
»Herr Major«, sagte Valerie Steinfeld, »ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind.«
»Das war doch selbstverständlich, Frau Steinfeld. Wenn sie mich brauchen … Wenn ich etwas für Sie tun kann … Mein Büro ist in der Argentinier Straße, im Rundfunkhaus.«
»Sehr freundlich«, sagte
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