Und kein Ende (German Edition)
weiß. In dieser Nacht war zwanzig Zentimeter Schnee gefallen und hatten wohl alle Enttäuschungen mit strahlendem Weiß zugedeckt.
Die Heimfahrt über die verschneiten Straßen dauerte mehr als dreimal so lang wie geplant.
„Wie kannst Du nur Deiner schwangeren, zukünftigen Frau so etwas antun“ schallte meine Mutter zuhause. „Du hast nicht einen Funken von Verantwortung“
Alle Ratschläge und Vorwürfe meiner Mutter stimmen mich heute noch nachdenklich oder machen mich betroffen, obwohl ich schon längst ihre Inkompetenz in fast allen Themen erkannt habe. Trotzdem hat die Einflussnahme nicht abgenommen. Ich nenne diesen Zustand „Mutterliebe“.
Eine Wohnung hatte ich schnell gefunden. Zwei Zimmer, Küche, Bad. Fünfzig Quadratmeter. Die Mietzahlung hatte ich ab ersten Februar vereinbart, obwohl ich schon zu Maler- und Einräumzwecken die Räume nutzen durfte. Mit Rücksicht auf ihren Zustand übernahm ich natürlich mit Hilfe meines Vaters alleine die Maler- und Tapezierarbeiten. Sie war aber beim Aussuchen der Tapeten und Farben mit dabei. Da wollte sie ihr Votum nicht so einfach hergeben. Die Küchenzeile bekam ich von meinem Bruder der soeben von meinem Bruder der erst im vorigen Jahr in eine neue Wohnung gezogen war. Den Herd bekam ich von meiner Tante. Mit meinem Bruder zimmerte ich zusammen zwei Bettkästen aus Pressspan und lackierte diese passend zur Möbelfarbe. Wir hatten Kiefer ausgesucht. Die Möbel holten wir uns zerlegt bei einem Möbeldiscounter. Der VW Bus meines Bruders und mein Kadett Kombi waren randvoll beladen. Es war inzwischen der neunzehnte Januar. Mir ist das Datum deshalb so gut in Erinnerung geblieben, weil ich an diesem Tag und den Abend davor meinem Meister Friedrich bei seinem Umzug in sein neues Haus geholfen hatte und im Anschluss daran sein Umzugsauto für den Transport der Küche nutzen konnte. Über diesen Umzug hatten wir noch oft gelacht, weil Friedrich und ich an diesem Tag zu den Brotzeiten mehr oder weniger den Inhalt des Kühlschranks weggeputzt hatten und seine Kinder Andreas und Claudia am nächsten Tag, einem Sonntag, im neuen Heim Kohldampf hatten. Über diese Geschichte mussten wir noch Jahre danach lachen.
Es war in der Woche danach als ihre Mutter nachts bei mir anrief.
„Komm schnell, sie hat Blutungen bekommen. Sie muss ins Krankenhaus.“
Hals über Kopf stürzte ich mich ins Auto, holte sie daheim ab und brachte sie zusammen mit ihrer Mutter in die Klinik.
„Du kannst ja nach Hause fahren. Du musst doch morgen wieder zur Arbeit. Ich mache das schon hier alles“ sagte mir ihre Mutter als ich sie zur Notaufnahme bringen wollte.
„Nein, es macht mir nichts aus. Ich möchte bei ihr bleiben.“
„Bitte geh’. Ich möchte nicht, dass ihr gesehen werdet. Hier im Krankenhaus arbeiten viele Leute aus unserem Ort“
„Ich ..“
„Bitte mache das was meine Mutter sagte“ bat sie mich nun auch zu gehen.
Zerknirscht und betroffen zog ich ab. „Ich bin doch der Vater“ ging mir immer wieder durch den Kopf.
ihr Aufenthalt im Krankenhaus war nur kurz, aber ich durfte sie dort nicht besuchen. Über ihre Mutter erfuhr ich denn auch, dass sie das Kind verloren hatte. Mein Kind.
„Vielleicht ist es besser so. ihr seid ja auch noch viel zu jung“ waren ihre Worte.
Mein Gefühl zu diesem Kind war noch nicht ausgeprägt genug um so etwas wie Trauer oder ähnliches zu empfinden. Aber der Wille und die Energie eine Familie zu gründen waren nach wie vor ungebrochen. Das zweite Zimmer, das Kinderzimmer also, war bis auf die beiden Kleiderschränke und den beiden Kommoden, die als Wickeltisch dienen sollen sowieso noch nicht vollständig geplant. Diese Aufgabe hatte ich ihr überlassen wollen.
Jahre später erzählte sie mir, dass sie damals, Anfang Dezember also, beim Frauenarzt war, der ihr ein Medikament verabreicht hatte, das die Regel wieder einleiten sollte. Das Kind hätte ja vielleicht einen Schaden gehabt wenn es zur Welt gekommen wäre.
„Also war es schon besser so, dass es damals so gekommen war“ versuchte sie mir zu erklären.
„Eigentlich könnten wir uns ja auch noch etwas Zeit mit der Hochzeit lassen“ sagte sie bei unserem ersten Wiedersehen.
„Nein, das geht nicht“ fiel ihr ihre Mutter ins Wort „Das Aufgebot ist bestellt und was sollen denn die Leute denken.“
Ich hielt mich bewusst aus dieser Diskussion zurück, denn mein Entschluss stand fest. Im Nachhinein hätte ich doch ihr beistehen
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