Und keiner wird dich kennen
»Die bekommen Sie.«
Es ist unerträglich, so wenig tun zu können. Einfach nur herumzusitzen und zu hoffen, dass Elias nichts passiert. Wenigstens konnte Lorenzo etwas beitragen. Maja ist stolz auf ihn – niemand von ihnen hätte das so gut geschafft. Und sie selbst und Lila am allerwenigsten, weil Barsch sie zu sehr verletzt hat, mit ihm zu reden ist unerträglich.
Wieder einmal überfliegt mit ohrenbetäubendem Knattern ein Hubschrauber das Haus. Die Polizei durchkämmt die ganze Gegend nach Elias – wie lange wird sich Robert Barsch noch verstecken können?
Weil jetzt klar ist, dass in nächster Zeit in den Verhandlungen nichts weiter vorangeht, schlägt Stella vor: »Gehen wir in mein Zimmer?«, und Maja nickt. Lorenzo zögert, wirft Stella einen Blick zu. Er ist vermutlich nicht sicher, ob die Einladung auch für ihn gilt. Doch Stella schaut ihn an, nickt leicht. Maja ist erleichtert, ihre Freundin scheint Lorenzo doch noch akzeptiert zu haben. Zu dritt poltern sie die Treppe hoch.
»Das klang vorhin fast so, als würde er dich mögen«, sagt Maja mit gemischten Gefühlen, als sie auf den herumliegenden bunten Kissen sitzen.
»Total seltsam«, meint Lorenzo, auf einmal sieht er erschöpft aus. »Ich kenne den Typ ja gar nicht. Aber wie es aussieht, kennt er mich.«
»Er hat dich wahrscheinlich wochenlang beschattet.« Stella stützt sich mit dem Rücken gegen die Wand, beobachtet Lorenzo.
Lorenzo nickt. »Sehr unheimliches Gefühl.«
»Wir müssen etwas tun!«, mischt sich Maja ein und schlägt mit der flachen Hand gegen die Wand, aus purem Frust. »Ich kann nicht einfach warten, dass Robert Barsch irgendetwas macht ... Können wir nicht losziehen, Elias suchen?« Sie macht sich nicht mehr die Mühe, ihn Finn zu nennen.
»Einfach losradeln? Kreuz und quer durch den Ort und dabei immer schön rufen?« Stella sieht skeptisch aus. »Das ist wohl eher angebracht bei einer verschwundenen Katze.«
»Wir könnten gezielt Gebäude überprüfen, schließlich wohnst du schon ewig hier, du kennst dich aus«, schlägt Maja verzweifelt vor.
»Maja, das ist Blödsinn«, mischt sich Lorenzo vorsichtig ein, und Maja sieht Stellas verblüfften Blick. Stimmt, es ist das erste Mal, dass sie den richtigen Namen ihrer Freundin ausgesprochen hört. Gibt es Alissa überhaupt noch? Schon, aber in diesen Momenten ist sie ganz Maja und nichts anderes will sie sein.
»Wieso?«, gibt Maja trotzig zurück.
»Weil das schon die Polizei macht«, antwortet Stella, ihr Blick ist auf einmal nachdenklich. »Aber ich habe eine andere Idee. Wenn wir über meinen Facebook-Account einen Aufruf starten, halten Jugendliche in der ganzen Gegend Ausschau und nicht nur wir. So was kann sich blitzschnell verbreiten und zur Lawine werden. Was bei Party-Einladungen unfreiwillig passiert, kann hier ja mal freiwillig passieren, oder?«
Maja ist nicht sicher, ob die Kripo das gut finden wird. Aber soweit sie mitbekommen hat, ist an die Medien schon eine Fahndungsmeldung nach Robert Barsch herausgegeben worden, sein Bild wird in den Abendnachrichten zu sehen sein, damit die Leute die Augen nach ihm offen halten. Was ist also dagegen zu sagen, wenn auch sie auf ihre Weise suchen?
»Klingt gut«, sagt Lorenzo, »ich glaube, das ist jetzt das Einzige, was wir tun können und die Polizei eben nicht.«
»Sollen wir Tellkamp fragen, was er davon hält?«, wirft Maja in den Raum.
Sie blicken sich alle drei an und schütteln den Kopf. Ganz instinktiv.
»Vermutlich gibt es irgendwelche rechtlichen Bedenken dagegen«, sagt Lorenzo. »Das haben wir natürlich nicht gewusst und so.«
Stella grinst ihn an, dann geht sie ihren Laptop holen und macht sich ans Werk. Da sie ja nun ihre wirklichen Namen kennt, kann sie sich Fotos von Robert Barsch und Elias aus dem Internet beschaffen, von Barsch gibt es ein paar im Zusammenhang mit seiner Firma und Elias ist auf den Erstklässlerfotos seiner Schule mit drauf und auf Bildern seiner Musikschule. »Um die Copyrightfrage mache ich mir einfach mal keine Gedanken«, murmelt sie, während sie die Bilder bearbeitet und hochlädt. »So, ich schreib jetzt einfach mal spontan was, und ihr sagt, was ihr denkt, okay?«
Maja nickt und hört zu.
»Wir könnten zum Beispiel einsteigen mit: Finn, der kleine Bruder von Alissa aus unserer Schule, ist entführt worden! « Stella liest vor, während sie tippt. » Vielleicht habt ihr aus den Nachrichten schon davon erfahren. Sehr wahrscheinlich wird er in der Umgebung von
Weitere Kostenlose Bücher