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Und keiner wird dich kennen

Und keiner wird dich kennen

Titel: Und keiner wird dich kennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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jemandem von dem Zwischenfall erzählen? Sollte er besser das Kino wechseln?
    Nein. Jede Wette, dass das Mädel niemanden alarmiert, die will hier nur ihren Spaß haben und keinen Stress. Doch zur Sicherheit lässt Robert sich einen Moment durch die Menge treiben, bis er auf der anderen Seite der Kassen einen neuen Posten gefunden hat, von dem aus er das Foyer überblicken kann.
    Doch nun meldet sich seine Blase wieder, diesmal noch drängender. Besser, er bringt es hinter sich.
    Neonschilder erhellen die Nacht, um die Ampeln herum braust der Verkehr und über die Bürgersteige schlendert ein steter Strom Menschen – sie haben den Stachus erreicht. »Wolltet ihr nach München ziehen? Oder seid ihr nicht gefragt worden?«, murmelt Lorenzo, seine kräftige Hand hält ihre ganz fest.
    »Wir mussten uns überraschen lassen ... aber es ist ganz schön hier«, meint Maja und steuert mit ihm auf die Rolltreppe zu, die sie hinab in die Unterwelt der Stachus-Passage führt, von dort aus kommen sie gut zum Mathäser. Wie schön es sein wird, einfach so mit Lorenzo ins Kino zu gehen, als wären sie ein ganz normales Paar, als wäre heute ein ganz gewöhnlicher Tag. Sie hat nicht darum gebeten, anders zu sein, nein, verdammt, das hat sie nicht!
    Aus ihrer Jackentasche erklingt die Melodie ihres Prepaid-Handys. Maja bleibt am Eingang zur Passage stehen, dort, wo sie noch Empfang hat. Das ist die Nummer ihrer Mutter, warum ruft die jetzt an? Kann sie riskieren, den Anruf wegzudrücken? Nein, womöglich ist es wichtig.
    »Alissa? Komm bitte heim, ich brauche dich hier«, hört sie Lilas Stimme, sie klingt erschöpft.
    Majas ganzer Körper spannt sich an. »Was ist passiert?«
    »Ich glaube, Finn hat sich einen Noro-Virus eingefangen, es geht ihm total dreckig, und ich weiß schon nicht mehr, wo mir der Kopf steht ... kann sein, dass ich mit ihm noch ins Krankenhaus muss ... es tut mir leid, ich weiß, du hast dich auf den Abend in der Stadt gefreut, aber ...«
    Ach du Scheiße! Alles in Maja schreit auf. Nein! Sie kann doch Lorenzo nicht schon wieder verlassen! Alle möglichen Ausreden gehen ihr durch den Kopf, warten darauf, ausgesprochen zu werden. Sie hat doch gelernt zu lügen in den letzten Monaten, wahrscheinlich könnte sie sich rausreden. Aber kann sie ihre Mutter und ihren Bruder jetzt wirklich im Stich lassen?
    »Schon okay«, sagt Maja schweren Herzens. »Ich nehme die nächste Bahn.«
    »Was ist?«, fragt Lorenzo beunruhigt.
    »Mein Bruder hat die Spuckerei und meine Mutter braucht Hilfe.« Maja will es nicht wahrhaben – war’s das schon? Ist ihre gemeinsame Zeit jetzt schon zu Ende?
    »Du musst zurück?« Lorenzo sieht nicht begeistert aus. »Können wir uns dann wenigstens morgen noch treffen? Mein Zug geht erst am Mittag, wir könnten noch zusammen frühstücken ...«
    Es ist nicht leicht, seinen enttäuschten Blick auszuhalten. »Das wäre toll. Am besten, ich rufe dich morgen früh an.«
    Sie wissen beide, dass das vielleicht der Abschied für längere Zeit ist, und halten sich ganz fest. Maja drückt das Gesicht in Lorenzos Halsbeuge, am liebsten würde sie die ganze Welt ausblenden und einfach hierbleiben, genau so, mit ihm.
    Ein letzter Kuss noch, dann trennen sich ihre Wege und Maja nimmt die Rolltreppe weiter nach unten, zur S-Bahn. Als sie sich umwendet, ist Lorenzo schon außer Sicht.
    Rasch wäscht Robert sich noch die Hände, dann kehrt er mit schnellen Schritten auf seinen Beobachtungsposten zurück. Er lässt den Blick über die Grüppchen gut gelaunter junger Leute im Foyer schweifen ...
    ... und kann es kaum fassen, als er einen rotblonden Haarschopf in der Menge sieht. Hölle und Teufel, das ist er! Das ist der Junge! Er steht in der Schlange an der Kasse und ist gleich dran. Wäre er einen Moment später aus der Toilette gekommen, hätte er ihn wahrscheinlich verpasst.
    Roberts Herz hämmert, seine Augen suchen die Menge ab. Wo ist das Mädchen? Wo der Junge ist, muss auch Lilas Tochter sein. Aber er sieht sie nirgendwo ... oder hat sie sich so sehr verändert, dass er sie nicht erkennt? Nein, die Urlaubsfotos auf ihrem Datenstick waren höchstens ein paar Monate alt, und er hat sich ihr Gesicht so intensiv eingeprägt, dass er sich zutraut, sie auch zu erkennen, wenn sie ihr Äußeres verändert hat. Aber hier kann er sie nicht entdecken, so intensiv er auch jedes weibliche Wesen mustert. Ist der Junge etwa allein hier? Er fährt nach München und geht hier ohne Begleitung ins Kino, was

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