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Und keiner wird dich kennen

Und keiner wird dich kennen

Titel: Und keiner wird dich kennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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Gleichzeitig versucht er, seinen Rucksack zu packen. »Bin krank oder so. Du kannst dir was ausdenken.« Es kommt ihm fast schon surreal vor, dass niemand ihn fragt, warum er eigentlich nach München will. Toll, wie sie an seinem Leben Anteil nehmen!
    »Essen ist fertig!«, ruft sein Vater. »Los jetzt, kommt, sonst verbrennt mir noch die Pizza im Ofen.«
    Ausgerechnet Pizza! Lorenzo verzieht das Gesicht, während das Ticket aus dem Drucker gleitet. Soll der Scheiß doch verbrennen, er hat sowieso keinen Hunger. Ihm ist todeselend zumute, wenn er an Maja denkt. Es war garantiert das Treffen, das den Kerl auf ihre Spur gebracht hat! Was haben sie nur getan? Hätte es nicht gereicht, miteinander zu chatten und zu telefonieren – oder hätte schon das allein sie in den Abgrund reißen können? War er zu nachlässig? Ein gutes Gewissen hat er nicht.
    Früher hätte er jetzt Cedric angerufen, natürlich hätte er das. Doch nun hat er keine Lust mehr dazu, und er weiß nicht, ob er die jemals wieder haben wird. Die Art, wie Cedric ihn ausgehorcht hat, liegt ihm noch immer im Magen. Und er will nicht, dass die Entführung von Majas Bruder als Sensationsnachricht in der ganzen Schule herumgetratscht wird.
    »Lorenzo! Hast du nicht gehört, es gibt Essen!«
    »Sorry«, sagt er grimmig, zieht sich die Sneakers an und hievt sich den Rucksack auf die Schulter. »Ich muss los. Mein Zug geht in einer halben Stunde. Ciao. Rufe euch später an und erkläre alles, okay?«
    Völlig verblüfft starren seine Eltern ihm nach, als er die Tür hinter sich schließt.
    »Genau, hellbraun mit Tarnmuster«, sagt Lila in ihr Handy. »Ja, bitte kommen Sie rüber!«
    »Was?«, drängt Maja unruhig. »Haben sie was gefunden?«
    Lila nickt. »Aber nur eine Socke.«
    Kaum zwei Minuten später sitzt Bernd Tellkamp bei ihnen auf dem Sofa und reicht ihnen einen Plastikbeutel mit einer Socke darin. Maja erkennt sie sofort, sie gehört Elias. Aber sie sieht anders aus, hat sich teilweise verfärbt ... braun verfärbt. Rotbraun wie ...
    »Ist das Blut?«, fragt Maja entsetzt.
    Tellkamp nickt ruhig. »Aber noch ist nicht gesagt, dass es von Finn stammt. Wir nehmen gerade einen DNA-Abgleich vor, aber das kann leider dauern. Die Blutgruppe stimmt jedenfalls.«
    Also ist ihm tatsächlich etwas passiert. Maja steigen Tränen in die Augen, und sie sieht, wie die Hände ihrer Mutter sich ineinanderkrampfen. Lebt Elias noch? Oder liegt er irgendwo gefesselt im Dunkeln, weint er, ohne dass ihn jemand tröstet?
    »Gefunden haben wir die Socke an der Straße, die von der Schule aus nach Emmering führt«, berichtet Tellkamp. »Wir suchen also auch gezielt in den Nachbargemeinden.«
    Draußen hat sich der Himmel inzwischen schwarz gefärbt, ein dickes, mooriges Schwarz. Es gibt nichts zu tun, außer zu warten. Der Minutenzeiger von Majas Uhr scheint zu klemmen, er bewegt sich einfach nicht weiter. Irgendwann entschuldigt sich Vanessa, um Abendessen zu kochen; Stellas Vater kommt aus der Praxis nach Hause, und auch die beiden Schwestern treffen ein, doch zum Glück nimmt ihre Mutter sie gleich beiseite, um ihnen alles zu erklären, und sie quälen Lila und sie nicht mit Fragen. Gemeinsam mit ihnen zu Abend zu essen, kommt Maja ganz natürlich und seltsam zugleich vor. Eigentlich müsste ein Stuhl leer bleiben. Einer von uns fehlt ...
    Acht Uhr. Normalerweise Elias’ Bettzeit. Heute gibt es für ihn keine Gutenachtgeschichte. Wird es jemals wieder eine geben? Maja umklammert immer noch Elias’ Kuscheldrachen, sie kann ihn einfach nicht loslassen.
    Schließlich zieht sich Lila ins Gästezimmer zurück, obwohl Maja sicher ist, dass sie genauso wenig schlafen kann wie sie selbst. Wahrscheinlich will sie einfach allein sein. Es schmerzt, dass Lila ihr nicht einmal Gute Nacht gewünscht hat.
    Stella und sie selbst bleiben wach, reden in ihrem Zimmer über Robert Barsch, über die schlimme Zeit vor drei Jahren. »Ich wäre vor Angst gestorben«, sagt Stella, und Maja protestiert: »Du? Quatsch! Du bist doch viel mutiger als ich.«
    »Das ist eine unbewiesene Behauptung«, gibt Stella zurück. »Und auf Mutproben habe ich gerade keine Lust, du vielleicht?«
    Dann plötzlich eine SMS: Gerade in München angekommen, bin gleich bei dir, wo muss ich hinfahren? Take care, Lorenzo .
    »Der spinnt ja!« Maja lacht und weint gleichzeitig, sie hält Stella das Handy hin, damit sie die Nachricht lesen kann. »Er muss sofort nach meinem Anruf losgefahren sein.«
    Stella nickt

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