Und keiner wird dich kennen
im Krankenhaus?« Es klingt, als sei er nicht ganz sicher.
»Schnellmerker«, brummt Robert. Irgendeinen Vorwand brauchte er schließlich, sonst wäre Lilas Sohn nicht mitgegangen.
Der Junge fängt wieder an zu heulen, aber diesmal klingt es anders als vorher. Vielleicht weint er vor Erleichterung, weil seiner Mama nichts passiert ist.
»Werden Sie mich totmachen?«, fragt er.
»Weiß ich noch nicht«, sagt Robert und stopft ihm den Knebel wieder in den Mund. »So, jetzt schlaf!«
Mit dem tragbaren DVD-Player zieht er sich in den BMW zurück. Er hat sich alle drei Teile von Der Pate mitgebracht, die sind einfach Klassiker. Ob die Bullen schon die Socke gefunden haben? Bestimmt.Wann sie wohl seine nächste kleine Überraschung entdecken werden?
Es ist früher Morgen, noch ist die Sonne nicht aufgegangen.
»An Laternenpfählen?« Lila presst das Prepaid-Handy ans Ohr, sie sieht ungläubig aus. »Aber ... ja, gut, bis gleich.«
Mit weichen Knien wartet Maja darauf, was ihre Mutter erzählen wird. Laternenpfähle? An Laternen kann man jemanden erhängen ...
»Es gibt eine Nachricht von Robert Barsch«, berichtet ihre Mutter und hat kaum Zeit, irgendetwas zu erklären, bevor es schon klingelt und Bernd Tellkamp mit einem Kollegen vor der Tür steht. In der Hand trägt er eine Klarsichthülle mit einem fast DIN-A4-großen Zettel, auf dem Maja Buchstaben erkennen kann.
»Das hat er an mehrere Laternenpfähle in der Umgebung geklebt«, sagt Tellkamp und reicht Lila die Hülle mit dem Zettel. »Heute Morgen hat es ein Anwohner auf dem Weg zum Semmelholen gelesen und uns dann gleich angerufen – er dachte erst, es wäre ein Scherz, ist aber zum Glück auf Nummer sicher gegangen. Einen anderen dieser Aushänge hat schon der Erkennungsdienst in der Mache.«
Lila klammert sich an den Zettel, und Maja drängt sich neben sie, damit sie die Botschaft ebenfalls lesen kann.
Meine liebste Lila, mein Schatz,
komm zu mir zurück, dann kannst du dein Kind wiederhaben!
Ich freue mich auf deinen Anruf unter 0177 / 63 94 59
RB
»Der Scheißkerl!«, stößt Lila hervor. »Worauf warten Sie noch? Rufen wir an!«
Robert lächelt, als sein Handy klingelt. Na also. Sie haben seine Aushänge gefunden. »Ja?«, antwortet er knapp, endlich, endlich hört er Lilas Stimme. Sie klingt dünn und leise. »Robert? Ich bin es.« Jetzt hat sie endlich Angst, das geschieht ihr recht, jetzt muss sie leiden, so wie er gelitten hat in den drei Jahren ohne sie! »Hallo, Lila. Wie schön, von dir zu hören.« Jetzt werden sie natürlich in aller Eile versuchen, das Handy abzuhören und zu orten. Aber das können sie vergessen – das unverschämt teure Crytophone, das ihm Milan beschafft hat, ist abhörsicher, und er hat die Telefonverbindung über mehrere Relaisstationen geleitet, damit sie nicht herausbekommen, wo er ist.
»Robert, bitte tu Elias nichts. Wie geht es ihm? Was hast du mit ihm gemacht?«
»Es geht ihm blendend, er hat richtig Spaß hier«, behauptet Robert. Es berührt ihn, Lilas Stimme zu hören, die Sehnsucht nimmt ihm beinahe den Atem. »Wann bist du bei mir? Wenn du willst, sind wir bald wieder eine richtige kleine Familie, das wolltest du doch, oder? Starke Schulter und so was?«
»Robert, ich ... ich will mit Elias sprechen.«
»Das lässt sich machen«, sagt Robert. Doch dann überlegt er es sich noch mal. Das Kind war nicht betäubt, als er es hierhergebracht hat. Was ist, wenn es ins Handy schreit, wo genau es ist? Nein, das kommt nicht infrage. »Hm, oder lieber doch nicht.«
»Robert! Bitte! Ich muss wissen, dass es ihm gut geht!«
»Etwas anderes hast du nicht im Kopf, oder?« Die Enttäuschung fühlt sich an wie in einen endlosen Brunnenschacht zu fallen. Vielleicht ist sie doch nur eine Schlampe, hat er sich vergeblich einen neuen Anfang erhofft? Ist Rache alles, was ihm bleibt? »Was ist mit uns? Mit unserer Zukunft? Du wirst zu mir zurückkommen!«
»Ich ... wir ...« Ein ersticktes Geräusch.
Plötzlich ist jemand anders am Apparat, ein Mann, wahrscheinlich ein Polizist. »Wir brauchen ein Lebenszeichen von Finn, sonst sind wir nicht bereit, weiter zu verhandeln.«
»Ich will mit Lila sprechen!«
»Das geht gerade nicht.«
»Dann ist das Gespräch vorerst beendet – vielleicht melde ich mich später noch mal«, sagt Robert bissig. »Um vierzehn Uhr.« Er drückt den Auflegen-Knopf. In seinem Magen brodelt es, und es dauert eine Ewigkeit, bis er sich wieder abgeregt hat.
Mit den Bullen
Weitere Kostenlose Bücher