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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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bestand über die
Vorzüge von Susies Vater keine Einigkeit in der Familie. Morse trank rasch
seinen Kaffee aus, und Lewis folgte, wie stets, pflichtschuldigst dem Beispiel
seines Vorgesetzten.
    Draußen saßen sie eine Weile
schweigend im Wagen.
    «Sie haben gewusst, dass es der
achte war, Sir. Warum...»
    «Ich wollte nur ihr Gedächtnis
testen.»
    Wieder gab es eine lange Pause.
    «Sieht aus, als ob wir uns
geirrt haben, Sir.»
    «Sieht aus, als ob ich mich
geirrt habe.»
    «Ein besseres Alibi gibt’s
überhaupt nicht.»
    «Nein.»
    «Wenn Mrs. — wie heißt sie noch
— sagt, dass sie die beiden draußen flüstern hörte, hat sie von der Unterhaltung
wahrscheinlich mehr mitgekriegt als Simon.»
    Morse nickte und lächelte etwas
wehmütig. «Die Möglichkeit, dass jemand unsere Sylvia und ihre Mum bestochen
hat, können wir wohl vergessen, wie?»
    «Allerdings. Oder meinen Sie
etwa...»
    «Nein.»
    «Und wie geht es jetzt weiter,
Sir?»
    «Sie können mich beim Woodstock
Arms absetzen oder...»
    «Nein, ich meinte den Fall,
Sir.»
    «...oder vielleicht dem Maiden’s
Arms .»
    Morse schien kaum zuzuhören.
    «Ich weiß, dass Sie enttäuscht
sind, Sir, aber...»
    «Enttäuscht? Unsinn.»
    Eine leichtfüßige Maus war
soeben quer über seine Schulterblätter gehuscht, und als Lewis ihn ansah,
schien es, als habe jemand hinter den Augen des Chief Inspector den Strom
eingeschaltet.
    «Ja, Lewis. Fahren Sie mich
raus nach Lower Swinstead.»
     
     
     
     

Kapitel
72
     
    Unter
mir das Dörfchen, so klein und still!
    Und
dennoch ein Gebrodel von
    Bosheit,
Klatsch und Verleumdung,
    Ganz
wie in der großen Stadt
    (Tennyson, Maud)
     
    Während der Fahrt redete Morse
— was für ihn ungewöhnlich war — fast ununterbrochen. «Kennen Sie das schöne
Gedicht von Thomson, in dem er über Dörfer schreibt, sanfter Hülle liebevoll geborgen...>?»
    «Ich kenne nicht mal diesen
Thomson», murrte Lewis.
    «Erstaunlich, diese anheimelnden
Örtchen, in denen sich mehr abspielt, als man sich je würde träumen lassen:
verbotene Affären, hoffnungslose Liebesbeziehungen, uneheliche Kinder,
Frauentausch, Inzucht, Nachbarschaftsfehden, Klassenkämpfe — Dinge, die
allerdings nur den Bewohnern offenbar werden. Nach außen schotten sie sich ab,
schweigen wie Trappistenmönche, bilden eine gemeinsame Abwehrfront, weil sie
eins gemeinsam haben, Lewis: ihr Dorf. Sie gehören alle zu demselben
Fußballclub. Sosehr sie sich unter der Woche vielleicht das Leben schwer machen
— gnade Gott dem Nachbarort, wenn sie am Wochenende ihre Fußballtrikots
anziehen.»
    «Aber Lower Swinstead hat gar
keinen Fußballclub.»
    «Irrtum, Lewis. Sie gehören alle zur Mannschaft.»
    Lewis fuhr durch das Windrush
Valley nach Lower Swinstead hinein.
    «Aber sie schweigen nicht alle
wie Trappistenmönche. Nicht Ihnen gegenüber jedenfalls. Im Gegensatz zu den
meisten unserer Leute haben Sie schon einen ganzen Karton Saft aus ihnen
rausgequetscht.»
    «Aber wir müssen
weiterquetschen, Lewis. Ein bisschen jedenfalls.»
     
    Im Pub zückte Morse — was
ungewöhnlich für ihn war — am Tresen bereitwillig die Brieftasche, und Lewis
erhob keinen Einspruch.
    «Ein Pint Bitter... was läuft
bei Ihnen am besten?»
    «Bei uns läuft alles...»,
setzte Biffen an.
    «Und... Orangen- oder
Grapefruitsaft, Lewis?»
    Der Spielautomat war arbeitslos
und das Cribbage-Brett hinter dem Tresen verwahrt, aber das Pub war gut
besucht. Die meisten Gäste waren Hiesige, waren schon im Fall Harrison
vernommen worden und gehörten zum Team.
    Auf dem schwarzen Brett neben
dem Tresen hing unter der Ankündigung «Jeden Samstag Livemusik» ein laienhaft
gedrucktes gelbes Plakat, das für die Veranstaltung der laufenden Woche warb:
     
    20.30-23.30
    DAS DÜRFEN SIE NICHT VERSÄUMEN!
    Die weithin bekannte
Folk-Sängerin
    CYNDI COOK
    mit den allseits beliebten
    3 R’s
    Randy, Ray und Rick
     
    «Wohl recht beliebt, diese
Sachen», sagte Morse zu dem Wirt.
    «An den Samstagen ist es hier
immer gerammelt voll.»
    «Hat Paddy Flynn mit seiner
Gruppe mal bei Ihnen gespielt?»
    «Paddy wer?»
    «Flynn. Der Mann, der kürzlich
ermordet wurde.»
    «Ach richtig, hab ich ja
gelesen. Ich glaube nicht, Inspector, aber wir haben im Jahr über fünfzig
Gruppen, und ich mach das hier schon einige Jährchen, da kann ich mich beim
besten Willen...»
    «Schon gut», sagte Morse
ungeduldig.
    «Schmeckt das Bier?»
    «Ja, danke.Wie geht es übrigens
Bert? Besser?»
    «Schlechter.

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