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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Polizeibeamter. «Entschuldigen Sie, Sir, aber wir müssen Sie
sprechen. Reine Routine.»
    «Thames Valley Police?»
    «Ganz recht, Sir.»
    «Worum...»
    «Auch Ihr Arbeitgeber möchte
Sie sprechen.»
    Harrison kniff verblüfft die
Augen zusammen. «Was will denn der von mir? Ich bin ganz offiziell auf Urlaub.
Da wird er sich schon gedulden müssen, bis ich wieder zurück bin.»
    «Bitte hier entlang, Sir.»
    Ein zweiter Polizist in Uniform
— jung, dunkelhaarig — hatte am Eingang zur Executive Lounge Aufstellung
genommen, und dort stand er eine Viertelstunde später noch immer. Maxine, die
erst ihr und dann sein Glas geleert hatte, stand auf und ging zu ihm.
    «Könnten Sie mir bitte sagen,
auf wessen Ermächtigung...»
    «Jedenfalls nicht auf meine,
Miss», sagte Constable Kershaw, «das dürfen Sie mir glauben. Auch ich
unterstehe einer Obrigkeit.»
    «Sie haben meine Frage nicht
beantwortet.»
    «Ich bin bei der Thames Valley
Police. Genau wie mein Kollege.»
    «Wer hat Sie hergeschickt?»
    «Mein Chef.»
    «Wer ist das?»
    «Chief Inspector Morse.»
    «Und was hat der für eine
dienstliche Stellung?»
    «Er ist ein wichtiger Mann.»
    «Sehr wichtig?»
    «Aber ja.» Kershaw nickte
ehrfurchtsvoll lächelnd.
    «Sie reden, als wäre er der
liebe Gott persönlich.»
    «Manche Leute sind dieser
Meinung.»
    «Sie zum Beispiel?»
    «Nicht immer.»
    «Wie lange wollen Sie Mr.
Harrison festhalten?»
    «Ich weiß es nicht, Mrs.
Ridgway.»
    Maxine schenkte sich noch ein
Glas Champagner ein und setzte sich nachdenklich wieder an den kleinen Tisch.
Ihren Namen kannten die also auch...
    Es brachte offenbar kein Glück,
sich mit einem Mann wie Frank Harrison einzulassen. Bei ihrem letzten Zusammensein
vor über einem Jahr hatte ihn jemand angerufen — sie hatte nie erfahren, wer es
war — und ihm mitgeteilt, dass man seine Frau ermordet hatte.
    Sie war versucht, einfach
aufzustehen und wegzugehen. Ihr Koffer — Kostüme, Kleider, Unterwäsche, Schuhe
— war inzwischen wohl schon in der Maschine, aber den würde man ihr vielleicht
zurückschicken. Die Handtasche, in der die sehr viel wichtigeren Dinge wie
Kreditkarten, Schlüssel, Terminkalender und Geld steckten, hatte sie ja noch.
    Doch bestimmt würde sich der Polizist
an der Tür weigern, sie rauslassen. Dazu war er ja da. Wozu sonst?
     
    Per Lautsprecheransage wurden
die Passagiere der ersten Klasse für den British Airways-Flug 338 nach Paris
aufgefordert, sich zum Flugsteig drei zu begeben, und zehn, zwölf Flugreisende
leerten ihre Gläser und griffen nach dem Handgepäck. Unentschlossenheit und
Nervosität waren bei Maxine Ridgway tiefer Niedergeschlagenheit gewichen. Sie
war nicht dumm. Sie kannte die Rolle auswendig, die er im Ritz von ihr
erwartete, und hatte das Geschäft akzeptiert, weil es ein gutes Geschäft war.
    Ihre Gedanken gingen ins Leere
— und dann hörte sie die Stimme hinter sich: «Komm, Schatz! Du hast doch die
Ansage gehört. Flugsteig drei.»
    Zwischen Staunen und
Erleichterung hin- und hergerissen, griff sie nach ihrem Handgepäck und folgte
ihm zum Ausgang. Dort war Constable Kershaw, der mit Glaubensfragen offenbar
vertrauter war als sie, nicht mehr zu sehen.
    «Eine Routineüberprüfung»,
erklärte Frank Harrison. «Genau, wie der Mann gesagt hat.»

Kapitel
70
     
    Ich
rief nach wild’ren Klängen und nach stärk ‘rem Wein,
    Doch
Licht verloschen, Fest zu End mit den Genüssen,
    Erscheint
dein Geist, Cynara, denn die Nacht ist dein.
    Ich
bin untröstlich, krank vor heftiger Begier,
    Die
Lippen des ersehnten Traumbilds heiß zu küssen.
    Treu
stets, in meiner Art, Cynara, war ich dir.
    (Dowson, Nun Sum Qualis Eram Bonae Sub Regno Cynarae)
     
    «Lassen Sie ihn in Gottes Namen
losfliegen, Kershaw.»
    «Halten Sie das für klug, Sir?»
    «Was?»
    «Ich frage ja nur...»
    «Passen Sie mal auf, mein
Junge. Sollte ich mich irgendwann bemüßigt fühlen, aus Ihrer Quelle der
Weisheit zu schöpfen, dann bestimmt erst, wenn Sie trocken hinter den Ohren
sind. Klar?»
    «Sir!»
    Morse legte auf. Es war 18 Uhr
10.
    «War das fair, Sir?», fragte
Lewis
    «Wahrscheinlich nicht», räumte
Morse ein.
     
    Vor einer Stunde hatte Lewis
den Anruf der Bank entgegengenommen: weitschweifige Entschuldigungen,
peinlicher Widerruf, tiefstes Bedauern. Über fünfhunderttausend Pfund waren in
der Tat noch immer auf unerklärliche Weise verschwunden, aber mit Sicherheit nicht aus Harrisons Abteilung. Die nach Sergeant Lewis’ Besuch angestellten
Ermittlungen

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