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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Gestern — wir
hatten gerade aufgemacht — war der Arzt da und hat zu Berts Sohn gesagt, er
würde den Alten auf ein paar Tage einweisen müssen, aber Bert hat erklärt, dass
er nicht im Krankenhaus sterben will.»
    Für einen Mann, der über manche
Dinge so gut wie gar nichts wusste, war Thomas Biffen über andere erstaunlich
gut informiert.
    «Wo wohnt er?», wollte Morse
wissen.
     
    Berts Sohn, der auch schon Ende
fünfzig war, führte Morse die schmale und ziemlich steile Treppe zum
Schlafzimmer hoch, wo Bert, von einem Kissenberg gestützt, im Bett lag, die
blaulila geäderten, von Altersflecken bedeckten Hände flach auf der Bettdecke
ausgestreckt.
    «Ein Jammer, dass es im
Augenblick nichts wird mit dem Cribbage, was?», sagte Morse.
    Das gelblich-hagere
Greisengesicht erhellte sich ein wenig. «Alf wird froh sein, dass er mal Ruhe
hat.» Er lachte kehlig in sich hinein. «Fünfmal hintereinander hat er
verloren.»
    «Sie sind nicht so ganz auf dem
Damm, wie ich höre?»
    «Aber meine fünf Sinne hab ich
noch beisammen. Manchmal besser als Alf.»
    «Sie haben ein gutes
Gedächtnis, was?»
    «Von jeher. Schon in der Schule.»
    «Ich würde Sie gern das eine
oder andere fragen. Es geht um das Dorf, ein bisschen Klatsch, kleine Skandale,
diese Sachen. Ich habe auch kurz mit Alf darüber gesprochen, aber irgendwie
scheint sein Erinnerungsvermögen nicht so gut zu sein wie Ihres.»
    «War’s noch nie. Schießen Sie
los, Inspector. Soll mir ein Vergnügen sein.»
     
    Lewis, der im Wagen gewartet
hatte, beugte sich vor und machte die Beifahrertür auf.
    «Noch einer aus dem örtlichen
Team?»
    Morse lächelte traurig und
schüttelte den Kopf. «Ich fürchte, da ist in Kürze ein Transfer angesagt.»
    «Was hat er denn genau...»
    «Bringen Sie mich nach Hause,
Lewis.»
     
    Auf der schnellen Fahrt nach
Oxford kam es nur einmal zu einem kurzen Gespräch.
    «Passen Sie auf, Lewis. Wir
wissen genau, wo sich Frank Harrison aufhält, wer bei ihm ist, wie lange er das
Hotelzimmer und für wann er den Rückflug gebucht hat. Ich möchte, dass wir ihn
in Heathrow in Empfang nehmen.»
    « Wenn er hierher
zurückkommt.»
    «Er kommt hierher zurück. Und
zwar möchte ich, dass Sie das übernehmen. Legen Sie ihm zur Last, was Sie
wollen — Mittäterschaft bei dem Mord an Barron, Mittäterschaft an dem Mord an
seiner Frau oder sonst was. Und dann bringen Sie ihn umgehend zu mir ins
Präsidium. Ich habe mich selten so gefreut...»
    Morse rieb sich plötzlich
kräftig die Brust.
    «Alles in Ordnung, Sir?»
    Morse antwortete nicht gleich.
Nach ein paar Meilen hatte er sich offensichtlich wieder gefangen.
    «Sie können mich am Woodstock
Arms absetzen.»
    «Wäre es nicht vielleicht
besser...»
    «Und empfehlen Sie mich bei
Mrs. Lewis. Wie üblich.»
    Lewis nickte, während er am
Woodstock Road-Kreisel rechts abbog.
    Wie üblich.
     
    Am gleichen Abend, allerdings
sehr viel später, hatte Maxine Ridgway im Pariser Ritz ihre Mühe, den
Hummer aufzuessen, und brachte von dem teuren Weißwein, der sie in Farbe und
Konsistenz an Urin erinnerte, kaum einen Schluck mehr herunter. Sie war müde,
leicht angetrunken und durchaus nicht scharf auf weitere Lustbarkeiten in dem
breiten Hotelbett. Merkwürdigerweise hatte sie schon den ganzen Abend den
Eindruck, dass auch Frank nicht recht bei der Sache und für seine Verhältnisse
erstaunlich nüchtern war.
    Sie gab sich einen Ruck. «Du
bist heute Abend ganz anders als sonst, Frank.»
    «Wie kommst du darauf?»
    «Geht dir die Geschichte in
Heathrow nach?»
    Frank beugte sich über den
Tisch und legte ihr die rechte Hand auf den Arm. «Keine Sorge, Schatz, das wird
schon wieder. Und eins muss ich dir unbedingt sagen: Du siehst toll aus.»
    «Findest du?»
    «Warum, glaubst du, machen alle
Ober einen Umweg, um an unserem Tisch vorbeizukommen?»
    «Sag es mir.»
    «Damit sie dir in den
Ausschnitt gucken können.»
    «Sei nicht albern.»
    «Ist dir das noch nicht
aufgefallen?»
    «Es war ein langer Tag, Frank,
und ich bin schrecklich müde...»
    «Aber doch hoffentlich nicht zu
müde?»
    «Nein, Liebling.»
    «Dessert? Einen Kaffee?»
    «Nein, danke.»
    «Geh ruhig schon nach oben. Ich
will noch ein paar Telefongespräche führen und ein bisschen nachdenken. Allein.
Du bist mir doch nicht böse? Ich komme bald nach. Und zieh das durchsichtige
Nachthemd an, das du mitgebracht hast. Der Ober flippt aus, wenn er uns morgen
das Frühstück bringt.»
    «Das hast du schon geregelt?»
    Frank Harrison

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