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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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der Zentralen Aufnahme aus die im vorigen Kapitel geschilderten
Ereignisse aufmerksam beobachtet und war rasch in Deckung gegangen, als der
Entlassene sich noch einmal umgedreht hatte, um einen letzten Blick auf den
Gefängniskomplex zu werfen — eine unnötige Vorsichtsmaßnahe, da die beiden sich
völlig fremd waren.
    Lewis wusste, dass er schon
heiklere Aufträge erledigt hatte, und begriff nicht so recht, warum so viel von
der Sache hergemacht worden war. Außer in der (sonst nicht gerade
ausschweifenden) Phantasie von Superintendent Strange gab es nur diese eine
dürftige Verbindung zwischen dem Mordfall Harrison und Harry Repp, der zu einer
fünfzehnmonatigen Haftstrafe verurteilt und wegen guter Führung vorzeitig auf
Bewährung entlassen worden war. Außerdem waren die Anweisungen, die er bekommen
hatte (wohlgemerkt von Strange und nicht von Morse), reichlich vage gewesen:
«Behalten Sie ihn im Auge, schauen Sie, wohin er geht, mit wem er sich trifft,
und — äh — na ja, und so weiter, einem erfahrenen Beamten wie Ihnen brauche ich
das nicht haarklein auseinanderzusetzen.»
    Bei näherer Betrachtung
allerdings konzedierte Lewis dem Super, dass dessen Überlegungen womöglich gar
nicht so weit hergeholt waren. Repp, das ließ sich belegen, war in dem
bewussten Zeitraum in der Nähe des Tatorts aktiv gewesen und hatte — allerdings
nicht in der Mordnacht — unter begrenzter polizeilicher Beobachtung gestanden.
Und dann gab es da noch diesen Brief an Strange, der zwar nur vage in Richtung
Lower Swinstead, aber unübersehbar auf den Mann wies, der jetzt aus dem Knast
gekommen war.
    Als Repp losmarschierte, stand
Lewis auf und schüttelte dem Vollzugsbeamten die Hand, der das, was in
Bullingdon über den Entlassenen bekannt war, an ihn weitergegeben hatte: Alter
37, Größe 1,75, Gewicht 87,3 kg. Haar dunkelbraun, beginnende Glatze; Teint
mittel; Tätowierung (Seemannsmotiv) auf linkem Unterarm; verurteilt wegen
Hehlerei; lebte zur Zeit der Inhaftnahme zusammen mit Debbie Richardson,
Chaucer Lane 15, Burford.
    Nachdem Lewis sich mit dem
Dienstwagen aus der drangvollen Enge des Personalparkplatzes herausgewunden
hatte, stoppte er auf der Hauptstraße, ging einmal um den Wagen herum und
hielt, während er den Reifendruck prüfte, die nur fünfzig Meter entfernte
Bushaltestelle im Auge. Dort warteten Repp und ein hagerer Typ mit
Frettchengesicht, und Lewis hörte wiederholt die nörgelnde Stimme des
Frettchens: «Wo bleibt denn verdammt noch mal dieser Scheißbus?»
    Der Bus war bereits im
Anrollen. Er war fast leer. Die beiden stiegen ein und setzten sich schweigend
auf getrennte Plätze.
    Lewis legte den Gang ein,
machte sich diskret an die Verfolgung und war gar nicht unglücklich, als sich
ein ziemlich feudaler Wagen zwischen ihn und den Bus schob, während sich ein
ebenso feudales Fahrzeug direkt hinter ihn setzte. Die leise Sorge, Repp könne
irgendwo zwischen Bullingdon und Bicester unerwartet aussteigen, wurde ihm sehr
bald genommen, denn der Bus hielt erst wieder am Busbahnhof Bure Place in
Bicester, wo das Frettchen ausstieg und verschwand, während Repp, Lewis’
eigentliches Zielobjekt, an den Haltebuchten entlang bis zur Bucht 27 OXFORD
(Direkt) ging und den bereits wartenden Bus bestieg.
    Repp war nicht der Einzige, der
den Fahrplan Bicester— Oxford gründlich studiert hatte. Lewis ließ, da er
wusste, dass ihm bis zur Abfahrt noch gute zehn Minuten blieben, seinen Wagen
auf dem geräumigen Parkplatz gegenüber stehen, lief rasch durch den kleinen
Durchgang zur Sheep Street, wobei er linker Hand an den Toiletten vorbeikam,
und kaufte sich in Forbuoys Zeitungsladen den Mirror. Dass er ein paar
Minuten Schlange stehen musste, störte ihn nicht. Die Aussicht, tüchtig Gas
geben zu müssen, um dem 27er Bus nach Oxford nachzujagen, war durchaus
verlockend. Doch als er wieder in seinen Wagen stieg, stand der Bus noch da und
füllte sich rasch.
    Nach der im Beeching-Bericht
verankerten Reform des Eisenbahnwesens Mitte der sechziger Jahre hatten
Fahrgäste zwischen Oxford und Bicester notgedrungen auf den eigenen Wagen
ausweichen müssen. Inzwischen war die Eisenbahnlinie reaktiviert worden, und
auch die privatisierten Busgesellschaften versuchten nach Kräften — und
bisweilen mit Erfolg —, die Fahrgäste wieder in öffentliche Verkehrsmittel zu
locken. Bei der Bahn waren keine Staus zu befürchten, und über eine neu
ausgebaute Busspur kam man über Kidlington relativ schnell nach Oxford

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