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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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hinein.
Vielleicht, überlegte Lewis, war es deshalb nicht weiter überraschend, dass
Repp sich in Bullingdon nicht von einem Freund oder Verwandten oder von seiner
Lebensgefährtin hatte abholen lassen. Trotzdem — einfacher, schneller und
bequemer wäre es alle Mal gewesen.
    Um 10 Uhr 10 verließ der 27er
den Busbahnhof und rollte gen Oxford, kreuzte dabei die M40, kam auf der A34
recht gut voran, bog in Kidlington ab und fuhr über die A40 Richtung Oxford Stadtmitte.
    Wieder hatte Lewis Glück, denn
bis zum oberen Teil der Banbury Road war niemand ausgestiegen.
    Ein Kinderspiel.
    In höflichem Sicherheitsabstand
dem Bus folgend, hatte Lewis reichlich Gelegenheit, über die doch recht
beunruhigenden Entwicklungen der vergangenen Tage nachzudenken.
    Morse hatte sich an jenem
Montagmorgen in dem Gespräch mit Strange, das sich zu fast befremdlicher
Schärfe gesteigert hatte, nicht beirren lassen. Nein, er sei nicht bereit, sich
an einer neuerlichen Ermittlung im Mordfall Harrison zu beteiligen. Ja, er sei
sich («voll und ganz!») über die möglichen Folgen einer Befehlsverweigerung
gegenüber seinem Vorgesetzten im Klaren. Trotzdem war es sonderbarerweise
Strange gewesen, der immer unsicherer geworden war. Dem verblüfften Lewis war
schließlich der Verdacht gekommen, dass es gewisse Aspekte des Falles gab, von
denen er keine Kenntnis hatte.
    Konnte es sein, dass...
    War es am Ende denkbar, dass...
    War es am Ende denkbar, dass
Morse einen Grund hatte, den Kopf aus den trüben Gewässern herauszuhalten, die
noch um den ungelösten Mordfall Yvonne Harrison herumschwappten? Einen
persönlichen Grund vielleicht? Eine Beziehung zu den Hauptbeteiligten? Eine
Beziehung (Lewis dachte das Undenkbare) zu der Hauptbeteiligten, der
Ermordeten selbst? Denn irgendeine Erklärung musste es ja geben...
    Ebenso erklärungsbedürftig war
die Tatsache, dass Morse (was praktisch noch nie da gewesen war) an den beiden
darauf folgenden Tagen, dem Dienstag und Mittwoch, nicht zum Dienst erschienen
war. Gerechterweise muss gesagt werden, dass er am Dienstagmorgen Lewis zu
Hause angerufen und gesagt hatte, er fühle sich unwohl (was der ihm, so wie er
sich anhörte, auch abgenommen hatte). Er bat Lewis, ihn bei allen Beteiligten
zu entschuldigen, vielleicht auch für den nächsten Tag. Am Dienstagabend hatte
Lewis bei Morse angerufen, aber der hatte nicht abgehoben. Am Mittwochabend
hatte er es noch einmal versucht, auch diesmal aber ohne Erfolg.
    War Morse krank?
    Nicht zu krank jedenfalls, um
am Donnerstag — ziemlich früh, wie gewohnt — wieder im Präsidium zu erscheinen.
Ohne ein Wort über seine Abwesenheit zu verlieren. Oder über seinen Krach mit
Strange. Oder über sein Befinden. Aber darüber sprach Morse sowieso fast nie.
    Unterhalb des
Cutteslowe-Kreisels hielt der Bus. Vier Fahrgäste stiegen aus. Kein Repp.
    Am Martyr’s Memorial stieg die
Mehrzahl der Fahrgäste aus. Kein Repp.
    An der Endstation Gloucester
Green verließen die letzten Fahrgäste den Bus. Kein Repp.
    Der 27er war jetzt leer.

Kapitel
18
     
    Jeder
Trottel kann die Wahrheit sagen; aber zum gekonnten Lügen braucht es einen Mann
von einigem Verstand.
    (Samuel
Butler)
     
    Lewis wusste, was er zu tun
hatte, als er den braunen Jaguar des Chief Inspector an der gewohnten Stelle
stehen sah.
    «Fühlen Sie sich heute besser?»
    «Besser als wann?»
    «Haben Sie eine Minute Zeit für
mich?»
    «Setzen Sie sich.»
    An seinem gewohnten Platz Morse
gegenübersitzend, schüttete Lewis ihm sein Herz aus.
    «Schöner Schlamassel», befand
Morse am Ende der traurigen Geschichte.
    «Dafür kann ich mir nichts
kaufen.»
    «Erinnern Sie sich an die
Sherlock Holmes-Geschichte, in der einer auf der einen Seite eine Droschke
besteigt und sie auf der anderen Seite gleich wieder verlässt?»
    «Die Türen von Autobussen sind
immer auf derselben Seite.»
    «Ach ja?»
    «Sie fahren eben nie Bus.»
    «Aber Sie haben weder die eine
noch die andere Seite im Auge behalten. Sie haben sich nach Kaffee angestellt.»
    «Ich hab eine Zeitung gekauft.»
    Morse wirkte abgespannt, man
hörte es auch an der Stimme. «Wollen Sie jetzt meinen Rat hören oder nicht?» Er
wartete kurz und fuhr dann fort. «Es geht hier im Grunde nicht um Ihre
Kompetenz oder Inkompetenz — vermutlich letzteres —, sondern um die Frage, wo
dieser Repp abgeblieben ist. Sehen Sie das auch so?»
    Lewis nickte matt.
    «Die Situation ist ziemlich
klar. Sie haben ihn unterwegs verloren, das ist alles. Kein

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