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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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einen Tick weniger, und es war gut, wenn man die Wahl hatte. Und
noch was Wenn der arme kleine Kerl in die Schule kommt und eins von den Kids
fragt, wie heißt denn dein Papa oder was macht denn dein Papa... Gewiss, solche
Ansichten mögen altmodisch sein, aber zwei Elternteile sind eben doch ‘ne gute
Sache. Also, komm schon, altes Mädchen, nimm meinen Namen an und Schluss, ohne
großes Hochzeitstamtam oder so. Nur für den Jungen, nicht irgendwelchen Typen
vom Sozialamt zuliebe.
    Aber Debbie Repp — das
erinnerte dann doch allzu sehr an Depp oder Nepp. Nein, da blieb sie schon
lieber bei Richardson. Durch eine ziemlich unangenehme Fehlgeburt war dann
diese häusliche Krise endgültig beigelegt worden.
    Zehn vor eins verließ sie ihren
Beobachtungsposten und legte prüfend die Hand an die Champagnerflasche, die mit
zwei Gläsern auf dem Küchentisch stand. Viel zu chambré, stellte sie
fest (das Wort war neu in ihrem Vokabular) und packte die Flasche wieder in den
Kühlschrank. Es war kein großer Champagner, sondern einer zu 8 Pfund 99 aus dem
Supermarkt, und auch der war ihr eigentlich noch zu teuer gewesen. Schlimm, wie
wichtig Geld im Leben war. Sie hatten genug davon, und zur Zeit lief es sogar
unter ihrem Namen, aber es gehörte Harry, und sie würde sich nie trauen, mehr
abzuheben als die einigermaßen großzügige Unterstützung, die er ihr zubilligte.
    Manchmal war sie in Burford
putzen gegangen, meist abends von sechs bis acht, aber ein Stundenlohn von 4
Pfund 75 gestattete ihr nicht, in dem Stil weiterzuleben, den sie von Harry her
gewöhnt war. Hegte sie nicht vielleicht doch die leise Hoffnung, er könnte sich
wieder auf die eine oder andere anrüchige, aber Gewinn bringende Unternehmung
einlassen?
    Nein! Nein! Nein!
    Um Viertel nach eins rief sie
in der Justizvollzugsanstalt Bullingdon an und erfuhr, dass Harry Repp heute
früh zur festgesetzten Zeit, ausgerüstet mit einer Fahrtberechtigung, einen Bus
nach Oxford bestiegen habe. Mehr könne man ihr nicht sagen, da man für Harry
Repp jetzt nicht länger zuständig sei. Sie könne ja den Bewährungsdienst in
Oxford anrufen, der vermutlich seine erste Anlaufstelle gewesen sei. Sie wollte
gerade die Nummer wählen, als draußen ein Wagen vorfuhr, der Zulassungsnummer
nach ein ziemlich neues und teures Modell in Dunkelblau. Dem Wagen entstieg ein
ihr unbekannter Mann, der über den schmalen, laienhaft betonierten Gartenweg
auf sie zukam.

Kapitel
20
     
    Da
sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast
Abraham gesehen? Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe
denn Abraham ward, bin ich.
    (Evangelium
nach Johannes, Kapitel 8, Vers 57-58)
     
     
    Schon eine Stunde vor der Fahrt
zu Debbie Richardson hatte sich für Sergeant Lewis der Vormittag recht
ungewöhnlich weiterentwickelt.
    Morse hatte darauf bestanden,
die zweite Runde im Woodstock Arms zu zahlen, die allerdings nur aus
einem Pint Morrell’s Best Bitter bestand, da das obligatorische Glas
Orangensaft seines Sergeant erst halb geleert war.
    Ungewöhnlich? Ja, und auf jeden
Fall überraschend.
    «Haben Sie das wirklich ernst
gemeint? Mit der Zulassungsnummer, meine ich.»
    «Fassen Sie sich in Geduld,
Lewis.»
    «Was meinen Sie wohl, was ich
gerade mache?»
    «Sie sagen, es habe sich um
einen relativ dunklen, relativ neuen, relativ teuren Wagen gehandelt?»
    «Ich habe ja, wie gesagt, vor
allem auf den Bus geachtet...»
    «Präziser, Mann! Nur Mut,
setzen Sie auf Ihre Instinkte.»
    «Also gut. Schwarz.
Vorjahrsmodell. Zwanzigtausend.»
    «Das ist doch schon was!»
    Lewis lächelte skeptisch.
«Besten Dank.»
    «Und wie viele Insassen? Einer?
Zwei? Drei?»
    «Einer auf jeden Fall.»
    «Wir werden schon noch einen
Detektiv aus Ihnen machen», bemerkte Morse halblaut, beugte sich vor und
steckte die Nase in den Schaum.
    «Vielleicht auch zwei, aber das
weiß ich nicht mehr genau. Es war ein bisschen wie... wie der Aufbruch in einen
Familienurlaub, wissen Sie...»
    «Nein.»
    «Na ja, wissen Sie...»
    «Herrgott, sagen Sie doch nicht
ständig wissen Sie>, Lewis!»
    «Wenn man auf Urlaub fährt, hat
man doch überall Gepäck im Auto. Nicht bloß Koffer und so Sachen, sondern
Windeln, Bettzeug, Handtücher, Wanderschuhe, Gummistiefel, Thermosflaschen,
Plastiktüten — alles durcheinander, sodass man kaum durchs Rückfenster sehen
kann.»
    «Plastiktüten?»
    Lewis versuchte krampfhaft,
sich die Szene wieder vor Augen zu führen, und zu seinem Glück

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