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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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wundern. Da
reden alle über alles. Besonders der Wirt. Aber dafür sind ja Wirte...»
    «Ist es noch derselbe wie
damals?»
    «Klar. Tom Biffen. So mit das
gepflegteste Bier in ganz Oxfordshire, hat Harry immer gesagt.»
    Lewis machte sich in Gedanken
einen Knoten ins Taschentuch, denn das würde Morse interessieren. «Kennen Sie
den Wirt gut?»
    Sie zündete sich die nächste
Zigarette an, beugte sich vor und machte die Augen ein bisschen weiter auf.
«Ziemlich gut, Sergeant.»
    Lewis versuchte es anders. «Sie
haben Harry regelmäßig im Knast besucht?»
    «Meist einmal die Woche.»
    «Wie sind Sie hingekommen?»
    «Mit Bekannten.»
    «Schlecht zu erreichen,
Bullingdon.»
    «Stimmt.»
    «Wann haben Sie ihn zum letzten
Mal gesehen?»
    «Vor einer Woche.»
    «Was haben Sie ihm
mitgebracht?»
    «‘n paar Stück Kuchen, paar
Zigaretten. Keinen Schnaps, keine Drogen. Das kriegen Sie da nicht so leicht
rein.»
    «Haben Sie’s mal versucht?»
    Sie beugte sich wieder vor,
lächelte und machte einen tiefen Zug. «Vielleicht, vielleicht auch nicht.»
    «Und haben Sie was von ihm
rausgebracht?»
    «Keine richtig verbotenen
Sachen. Da sind sie verdammt streng. Man sitzt sich an einem Tisch gegenüber,
und die Wärter haben uns die ganze Zeit beobachtet. Da hätte man schon
Riesendusel haben müssen.»
    Die zungenfertige Erklärung
klang nach dem Geschmack des Sergeant etwas zu geläufig. Alle möglichen Sachen
in den Knast reinzuschmuggeln und wieder rauszubringen war völlig normal und
allgemein üblich. Und so langsam dämmerte ihm, dass Strange vermutlich Recht
hatte: Der Brief, der im Polizeipräsidium Thames Valley eingegangen war, war
von Harry Repp in der Justizvollzugsanstalt Bullingdon geschrieben und einem
seiner Besucher übergeben worden, der ihn draußen irgendwo eingesteckt hatte.
In Lower Swinstead beispielsweise, wenn Lewis auch noch nicht so ganz klar war,
was damit bezweckt werden sollte.
    «Hat Harry Sie irgendwann mal
gebeten, für ihn was aus dem Knast zu schmuggeln?»
    «Was hätt ich schon für ihn aus
dem Knast schmuggeln können?»
    «Briefe vielleicht?», fragte
Lewis unschuldig.
    «Na ja, wenn er mal ‘ne Adresse
vergessen hatte. Aber nicht oft.»
    «An seine alten Freunde?»
    «Gauner, meinen Sie?»
    «Ja, so hab ich es wohl
gemeint.»
    «Hin und wieder. Er hat nicht
gewollt, dass die Typen da drin sein Geschreibsel sehen. Ist ja verständlich.»
    «Sie haben also ab und zu einen
Brief mitgenommen.»
    «Kein Problem. Hab ihn einfach
in der Handtasche verschwinden lassen.»
    «Welchen haben Sie zuletzt mit
rausgenommen?»
    «Weiß ich nicht.»
    «Ich glaube, Sie wissen es noch
genau.» Lewis staunte selbst, wie energisch das klang.
    «Echt nicht.» Schon war die
nächste Zigarette an der Reihe.
    «Bitte lügen Sie mich nicht an.
Ich weiß, dass Sie einen Brief in Lower Swinstead eingesteckt haben. Harry
hatte Sie gebeten, ihn dort aufzugeben, weil er der Meinung war —
fälschlicherweise, wie sich zeigte —, er würde dort auch abgestempelt werden.»
    Zum ersten Mal schien Debbie
Richardson leicht verunsichert, und Lewis nutzte seinen Vorteil.
    «Wie sind Sie übrigens nach
Lower Swinstead gekommen?»
    «Sind doch bloß drei, vier
Meilen...»
    «Zu Fuß?»
    «Nein, ich hab den Wagen...»
Sie unterbrach sich. Zu spät. Die Worte waren, um mit Homer zu sprechen, schon
dem Gehege ihrer Zähne entflohen.
    «Ich denke, Sie können nicht
Auto fahren?»
    «Dann hab ich Sie wohl
angeschwindelt.»
    «Und warum?»
    «Reine Gewohnheit.» Sie beugte
sich über den Tisch, und Lewis sah seine Vermutung bestätigt, dass sie unter
dem Kleid keinen BH und wahrscheinlich auch keinen Schlüpfer trug.
    «Wie oft sind Sie im Maiden’s
Arms ?»
    «So oft wie möglich.»
    «Hoffentlich fahren Sie nicht
mit dem Auto hin...»
    «Manchmal nimmt mich einer mit,
wenn jemand anruft oder so...»
    «Wann waren Sie zum letzten Mal
dort?»
    «Als ich den Brief eingesteckt
hab.»
    «Ist das Pub den ganzen Tag
geöffnet?»
    «Was fragen Sie so blöd?»
    «Weil es meinen Chef
interessieren würde.»
    «Ihr verdammten Cops seid doch
alle gleich.»
    Eine merkwürdige Antwort. Lewis
sah sie verständnislos an. «Bitte?»
    «Das, was Sie mich eben gefragt
haben, ob die Pinte den ganzen Tag auf ist, das hat der andere Typ auch wissen
wollen.»
    «Welcher andere Typ?»
    «Wie er hieß, hab ich
vergessen. Was soll’s! Ihren Namen weiß ich übrigens auch nicht mehr.»
    «Wann war das?»
    «Gestern Abend. Wollte mich auf
einen Drink

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