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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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steif?»
    «Ah... nein... ich glaube
nicht.»
    «Oder klein und handlich. War
Ihre Leiche klein?»
    «Ah... nein... ich glaube
nicht.»
    «Ja, wie gesagt...»
    «Wie würden Sie hier eine
Leiche loswerden?»
    «Also, wenn sie klein war, würd
ich einen Pressmüllcontainer nehmen. Da sind so Schrägflächen drin, die hin-
und hergehen und alles nach hinten schieben, da würd’s nicht weiter auffallen.
Hier nicht jedenfalls.»
    «Aber woanders schon?»
    «In Sutton Courtenay bei
Didcot. Da kommen die vollen Pressmüllcontainer hin, zur Deponie, da könnte
schon einer ‘n Blick drauf werfen.»
    «Die Müllfahrer haben überhaupt
einen scharfen Blick, nicht?»
    «Unsere Entsorgungsmitarbeiter,
meinen Sie.»
    «Meinen kleinen Sack mit
Grasschnitt haben sie letzte Woche nicht mitgenommen.»
    «Wem sagen Sie das...»
    «Wenn ein menschlicher Kopf
drin gewesen wäre...»
    «...wären Sie den
wahrscheinlich losgeworden, stimmt. Nur mit Grasschnitt würd ich’s nicht noch
mal versuchen, Inspector.»
    Bei seinem Rundgang war Morse
beeindruckt von Aufbau und Funktion des großen Areals, auf dem der Müll aus
Oxford in verschiedenen Kategorien entsorgt wurde: Autobatterien; Dosen;
Motorölbehälter; Papier; Kleider; Werkzeuge; Flaschen (grün, braun, weiß);
Sperrmüll; Schrott; Gartenabfall (grün); Gartenabfälle (sonstige)... Für Kühl-
und Gefrierschränke gab es eine eigene Abteilung.
    Von dem, was er bisher
besichtigt hatte, kam als Versteck eigentlich nur der riesige
Sperrmüllcontainer in Frage, und auch da wäre eine Leiche zwischen den scharfen
Kanten kaputter Tische, den schief und krumm eingeworfenen Regalen und
gekippten Matratzen sofort aufgefallen.
    Dann aber kamen die
Pressmüllcontainer, die Morse gründlich inspizierte. Es waren zwölf
nebeneinander, weiße Behälter, einen Meter achzig breit und sechs Meter hoch,
mit einem Nutzinhalt von zwölf Tonnen. Quer über die Mitte der Container ging
ein waagerechter grüner Strich, und vorn hatte jeder Behälter eine
leichtgängige vergitterte Öffnung zur Aufnahme des von den Kunden im Auto
herbeigekarrten Entsorgungsgutes. In dem Container bewegten sich Schrägflächen
ständig hin und her, die den Müll in irgendwelche unappetitlich-dunklen Tiefen
beförderten. Seitlich waren Knöpfe mit der Aufschrift «Start/Stop» und roten
und grünen Kontrolllampen sowie Schalter, die offenbar den komplizierten
Vorgang steuerten. Während Morse noch dastand, trat ein Arbeiter an den
Container heran und las scheinbar an irgendwelchen Morse unerfindlichen
Anzeichen ab, ob einer der Behälter so weit gefüllt war, dass er auf einen der
schwerfällig auf dem Hof herumrollenden Laster gehievt werden und nach — wohin
doch gleich? — nach Sutton Courtenay verbracht werden konnte.
    Morse sprach den jungen Mann
mit dem Pferdeschwanz an, der an einem der Container herumklopfte wie jemand,
der an den kieloben treibenden Rumpf eines U-Bootes pocht, um festzustellen, ob
sich darin noch Lebenszeichen ausmachen lassen.
    «Wie lange dauert es, bis diese
Dinger voll sind?»
    «Kommt drauf an. An Feiertagen
und Wochenenden manchmal nur einen, meist aber zwei, drei Tage. Je nachdem.»
    «Wie viele Container sind heute
schon weg?»
    «Zwei? Nein, drei, glaub ich.»
    «Ihnen ist wohl nichts — äh —
Ungewöhnliches aufgefallen?»
    «Ungewöhnliches? Was denn,
Kumpel?»
    «Vergiss es, mein Sohn.
Übrigens wusste ich gar nicht, dass ich ein Kumpel von dir bin.»
    «Und dass Sie mein Alter sind,
hab ich auch nicht gewusst», zischte der picklige Knabe, und ein unterlegener
Morse entfernte sich geknickt.
    Es war kein sehr ergiebiger
Nachmittag gewesen. Morse hatte nicht mal so viel Verstand gehabt, seinen
Grasschnitt mitzubringen, den er hier mit behördlicher Zustimmung in den
Gartenabfallcontainer (grün) hätte werfen können.
    Im Büro bedankte sich Morse für
seine Verhältnisse fast überschwänglich bei Cox für dessen Hilfe und warf noch
einen letzten Blick auf die üppige Mai-Schöne, die sich so freigebig allen
sehnsüchtig-lüsternen Männerblicken darbot. Blicken von Männern wie Stanley
Cox; wie seinen Entsorgungsmitarbeitern; wie Chief Inspector Morse, den sie an
eine andere Frau erinnerte, die er gerade erst kennen gelernt hatte.
    Eine Frau, die Debbie
Richardson hieß.
     
     
     
     

Kapitel
23
     
    Ein
Roman sollte, wie ein Bettler, stets in Bewegung bleiben. Niemand wusste das
besser als Fielding, dessen Bücher — wie die meisten guten Romane — voll von
Wirtshäusern

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