Und kurz ist unser Leben
gestellt.
«Na, dann legen Sie mal los»,
sagte Morse.
«Der Wagen ist abgeschlossen.»
«Woher wissen Sie das?»
«Die Türriegel sind alle
unten.»
Morse legte eine Hand auf die
vordere Klinke.
«Nicht...» Flowers unterbrach
sich rasch.
«Recht haben Sie. Hat einer von
Ihren Leuten in seiner Jugend Autos geknackt?»
«Ich kenne einen, der so was
gemacht hat.»
«Wo wohnt er?»
«Silverstone.»
«Zu weit.» Morse wandte sich an
Lewis. «Rufen Sie Johnson an.»
«Haben Sie die Nummer?»
«Am Samstagnachmittag ist er im
Wettbüro von Summertown.»
«Der Nachmittag ist längst
vorbei, Sir.»
«Ah ja...»
«Im Pub haben sie bestimmt ein
Telefonbuch.»
«Da steht er nicht drin. Sie
haben ihm den Anschluss gesperrt.»
«Und wie...»
«Wenn er ein paar Pfund
gewonnen hat, sitzt er im Dew Drop .»
«Vielleicht hat er aber keine
paar Pfund gewonnen.»
«Dann sitzt er trotzdem im Dew
Drop.»
«Haben Sie die Nummer?»
«Beschaffen Sie mir ein Handy»,
fuhr Morse ihn an.
Edwards sah zu, wie Morse
seinen Kollegen den Rücken drehte und eine Nummer eintippte, hörte, wie er sich
mit leiser Stimme meldete und dann im Fortissimo losdonnerte.
«Dann soll er verdammt noch mal
den Bus nehmen, und zwar ein bisschen dalli!»
Diese Order wurde weder
buchstabengetreu noch unverzüglich ausgeführt, denn wieder dauerte es zwanzig
Minuten, bis ein rostiger alter Ford auf der Hauptstraße vor dem Rosie
O’Grady hielt. Als die Beifahrertür sich öffnete, kam ein schmächtiger,
unauffälliger Mann Ende vierzig zum Vorschein. Er hatte eine selbst gedrehte
Zigarette zwischen den schmalen Lippen und eine unverkennbare Schnapsfahne.
«Mr. Morse?»
Der deutete auf den Wagen.
«Aber doch wohl nich umsonst,
wie?»
«Mach auf, Malcolm!»
Einigermaßen verblüfft konstatierte Edwards, dass Morse diesen Mann mit dem
Vornamen anredete.
Der Schlüsselexperte zog ohne
weitere Widerworte ein Bund Dietriche und ein paar Enden Draht aus der rechten
Hosentasche, drehte seinen erwartungsvollen Zuschauern den Rücken und bedachte
das Problem so tiefsinnig wie Capablanca bei der Schachweltmeisterschaft seinen
nächsten Zug.
«Zentralverriegelung», sagte
Flowers ungefragt.
Johnson reagierte nur mit einem
flüchtigen Blick, der schnöden Undank signalisierte, und antwortete nicht.
Morse hatte, soweit Edwards das
erkennen konnte, an diesem Zwischenspiel seinen Spaß gehabt, denn um seine
Lippen zuckte ein halbes Lächeln, als fünfzehn Sekunden später mit einem leisen
Klack die Riegel an allen vier Türen gleichzeitig nach oben sprangen.
R456 war zur Besichtigung
freigegeben.
Flowers streifte ein Paar grüne
Latexhandschuhe über und öffnete die beiden Türen auf der Fahrerseite. Morse
musterte flüchtig die Vordersitze und erheblich länger die dunkle, klebrige
Blutschicht auf der Rückbank und auf dem Boden davor.
«Okay», sagte er leise und
steuerte das Pub an. Doch da tippte ihm Johnson auf die Schulter.
«Sie haben was von Spesen
gesagt, Mr. Morse.»
«Sehr richtig.»
«Da wär das Taxi, mit dem ich
gekommen bin — acht Pfund —, zwei Pfund Trinkgeld, macht zehn, hin und zurück,
macht zwanzig.»
«Seit wann hat Snotty Joe ein
Taxiunternehmen?»
«Na ja, es ist mehr ‘n
Privatbetrieb...»
Morse kramte in seinen Taschen
und holte eine Hand voll Münzen heraus. «Der Bus kostet bis St. Giles 85 Pence,
wenn ich nicht irre. Richtig, und die Rückfahrt kommt noch dazu.» Er drückte
Johnson zwei Pfundmünzen in die Hand. «Behalt den Rest. Dafür kannst du dir die Times kaufen und auf der Rückfahrt lesen.»
«Irrtum, Mr. Morse. Am Samstag
kostet die Times 50 Pence.»
Ohne eine Miene zu verziehen,
schob Morse noch zwanzig Pence nach. Die beiden trennten sich ohne ein weiteres
Wort, und Edwards überlegte, was für Gefälligkeiten sich die beiden wohl in den
letzten Jahren im Interesse der Verbrechensbekämpfung und Verbrechenspraxis in
North Oxford erwiesen hatten.
Morse steuerte erneut das Pub
an, Lewis war ein paar Schritte hinter ihm. «Am besten lassen wir sie eine
halbe Stunde in Ruhe arbeiten, dabei stören wir nur. Übrigens müssen Sie mir
einen Fünfer leihen, Lewis, ich hab gerade mein letztes...» Morse blieb stehen,
drehte sich um, ging zurück zum Tatort und wies Flowers an, den Kofferraum
aufzumachen.
Edwards, dem die Identität des
wie ein Fötus im Kofferraum zusammengerollten Toten unbekannt war, sollte sich
an diesen Augenblick später mit einem sonderbar unangemessenen Gefühl
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