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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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gelenkt hat,
indem er in derart auffälligen Schuhen zweieinhalb Stunden um Burford
herumrannte.»
    «Vielleicht gehört er eben doch
nicht zu den cleveren Typen, Sir.»
    Bis sie wieder im Präsidium
waren, hatte sich die beunruhigende Kunde schon herumgesprochen.
    Morse selbst war am späten
Nachmittag nicht mehr im Büro, sondern hatte Lewis gebeten, ihn vor seiner
Wohnung in North Oxford abzusetzen. Ihm stand der Sinn nach Musik. Ein bisschen
Mozart (nur nicht Eine kleine Nachtmusik), ein bisschen Wagner (nur
nicht der Walkürenritt), ja, sogar ein bisschen Vivaldi (nur nicht Die
vier Jahreszeiten) oder Vaughan Williams (allerdings nicht Die Lerche
steigt auf).
    Nein, vor allem nicht Die
Lerche steigt auf, denn die Morgendämmerung hatte Morse an diesem Tag (wie
wir wissen) bereits mehr als genug beschäftigt.
     
     
     
     

Kapitel
44
     
    CLINTON:
HÖHENFLUG BEI HAUSHALTSDEBATTE — IST ER SCHWINDELFREI?
    (Aus: Beste Schlagzeilen der USA 1997)
     
    Sergeant Dixon vertilgte den
Rest seines gefüllten Krapfens mit Zuckerglasur. «So langsam könnte man meinen,
dass er nicht mehr alle Tassen im Schrank hat. Erst sagt er, wir sollen uns
Barron schnappen, und jetzt müssen wir seiner Alten beibringen, dass er
abgekratzt ist.»
    Sergeant Lewis sah auf. «Wie
hat sie reagiert?»
    «Es war schon schlimm. Kate ist
ja gut in solchen Sachen, aber trotzdem...»
    «Weiß der Hausarzt Bescheid?»
    «Ja. Und die Mutter ist bei ihr
und ihre Schwester, das hilft schon ein bisschen. Aber es sind zwei kleine
Kinder da. Sechs und vier.»
    «Vielleicht empfinden die es
gar nicht so sehr.»
    «Möglich. Ich hatte das Gefühl,
dass die Ehe nicht ganz...» Dixon bewegte die rechte Hand auf und ab wie ein
Mann im Delirium tremens.
    «Wie kommen Sie darauf?»
    Dixon tippte sich mit dem Zeigefinger
an die rechte Schläfe. «Erfahrung, Kumpel.»
    Er stand auf und prüfte
hoffnungsvoll die Auslagen in den Glasvitrinen der Kantine.
    Kurz nach halb sechs wurde
Lewis in Cäsars Zelt beordert.
    «Ein trauriger Zustand, Lewis,
wenn man nicht mal dazu kommt, am Montagnachmittag eine Runde Golf zu spielen.»
    «Ich hab nur gedacht, Sie
würden gern...»
    «Ich hatte die Nase vorn. Zwei
Punkte. Es lief richtig gut. Und jetzt...»
    «Es tut mir wirklich Leid, Sir,
aber wie gesagt, ich hab gedacht...»
    «Wo steckt Morse?»
    «Er — äh — ist mal kurz nach
Hause gefahren.»
    «Da ist er auch am besten
aufgehoben. Das reinste Katastrophenszenario, seit er den Fall übernommen hat.»
    «Sie wollten ihn doch haben,
Sir», sagte Lewis friedlich.
    «Zu clever, der Mann! Zeit,
dass er aufhört. Dass er, genau wie ich, für die ausgeschlafenen jungen Typen
Platz macht, die auf der Überholspur hier reinkommen. Heutzutage zählen nur
noch akademische Titel und DNA und...»
    «Klemmbretter?»
    Strange lächelte
verständnisvoll. «Der alte Morse hat wohl nichts für Klemmbretter übrig, was?»
    «Nein.»
    «Er wird Ihnen bestimmt fehlen,
wenn er geht.»
    «Geht er denn?»
    «Dafür sind Sie dann ein Stück
reicher.»
    Lewis antwortete nicht.
    «Hat wohl draußen in Burford
ein, zwei Bierchen gezischt.»
    «Nur eins.»
    «Erstaunlich. Und darf man
erfahren, wer die Zeche gezahlt hat?»
    «Sie werden’s nicht glauben,
Sir: er.»
    Strange sah seinen Sergeant
scharf an. «Soll ich Ihnen mal was sagen, Lewis? Im Schwindeln kommen Sie glatt
an den amerikanischen Präsidenten ran.»
    Die nächsten zehn Minuten
verbrachte Lewis damit, dem Chief Superintendent — ohne weitere Schwindeleien —
alles zu erzählen, was er und seine Kollegen (einschließlich Morse) über den
Mord an J. Barron, Betreiber eines Maurer- und Malergeschäfts in Lower
Swinstead, in Erfahrung gebracht hatten.
    «Hm...»
    Strange betrachtete ein paar
Sekunden nachdenklich das Telefon, dann rief er Morse an. Doch dessen
Geheimnummer war belegt. Eine Minute später versuchte es er noch einmal und
eine Minute danach erneut, bekam aber nach wie vor nur das Besetztzeichen.
    «Hat den Hörer abgenommen und
daneben gelegt, der Bursche. Typisch! Dabei wartet hier ein ganzes Sortiment an
Morden auf ihn.»
    «Er ist ein bisschen
mitgenommen, Sir, ich glaube, er hat nicht gut geschlafen.»
    «Kein Wunder, wenn er alle halbe
Stunde Wasser lassen muss.»
    «Ich glaube nicht, dass es bloß
daran liegt.»
    «Was wollen Sie damit sagen?»,
fragte Strange ziemlich scharf.
    «Ach, nichts weiter.»
    «Raus damit, Lewis.»
    «Manchmal denke ich, es ist ihm
alles nicht mehr so wichtig.»
    «Interessant.»

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