Und kurz ist unser Leben
Kühlschrank.»
Sie leerte das zweite Glas,
lehnte sich auf der bequemen Couch zurück und öffnete den zweiten Knopf,
während er ihr erneut nachschenkte.
Sie klopfte auf das Polster neben
sich. «Kommen Sie zu mir.»
«Gleich. Ich möchte gern noch
eine Weile hier sitzen und das Verlangen nach Ihnen auskosten.»
Sie lächelte. «Ich frage mich,
wie es uns zusammen ergangen wäre...»
«Wissen Sie, dass Sie eben fast
wörtlich T. S. Eliot zitiert haben?»
Sie sagte nichts. Dieser Eliot
war vermutlich ein Poet, während die Welt, in der sie sich bewegte,
normalerweise nicht viel Poetisches zu bieten hatte. Sie kam sich irgendwie
wichtig und ausgesprochen sexy vor. Und noch etwas. Während sie das dritte Glas
Champagner in den lippenstiftfeuchten Mund goss, den dritten Knopf ihres
Kleides öffnete und auf ihre jetzt fast ganz entblößten Brüste hinuntersah,
spürte sie mit allen Sinnen ihre Macht. Es war ein gutes Gefühl.
Aber er hatte natürlich Recht.
Sie genoss es, ihn anzumachen, wie man in ihren Kreisen sagte, und er genoss
es, angemacht zu werden. Anders als die meisten Männer (sie hatte da
einschlägige Erfahrungen) hatte der hier es offenbar nicht eilig, zur Sache zu
kommen.
«Als Sie angerufen haben», sagte
sie, «hab ich zuerst gedacht, Sie wollten mit mir über die Morde sprechen.»
«Hinterher vielleicht...»
Sie machte die Beine gerade und
beugte sich vor, um ihre nächste Zigarette anzuzünden. «Nein, bringen wir die
peinliche Befragung hinter uns. Wo ist übrigens das Schlafzimmer?»
Er deutete auf eine Tür zu
seiner Linken. «Die Bettdecke ist in einer ordentlichen Hypotenuse
zurückgeschlagen.»
Sie sagte nichts, denn ihre
mathematischen Kenntnisse waren weit vor Pythagoras stehen geblieben.
«Ich habe Sie nicht hergebeten,
um Sie in die Mangel zu nehmen, das wissen Sie. Aber eins würde ich Sie doch
gern fragen.»
«Schießen Sie los.»
«Ich glaube, dass Sie sich
denken können, wer Harry ermordet hat. Und wenn das der Fall ist, möchte ich,
dass Sie es mir sagen.»
«Aber ich weiß nichts Genaues.
Echt nicht.» Sie schlug die eben noch herausfordernd gespreizten Beine wieder
übereinander.
«Erzählen Sie mir doch nichts!»
«Es ist nur... also, ich denke
mir, es könnte Johnnie gewesen sein.»
«Und warum?»
«Weil... er hat mal was
gesagt... na ja, und da kriegst du manchmal so vibes ...»
Mit vibes konnte er
offenbar nichts anfangen. Ihn interessierten nur verbale Äußerungen. «Was hat
er denn gesagt?»
«Eigentlich gar nichts. Nichts,
was ich Ihnen verraten würde.»
«Wann?»
«Am Samstagabend.»
«Da war er bei Ihnen?»
«Ja.»
«Kam er oft vorbei?»
«Ziemlich oft.»
«Er hat sich mit Ihrem Umbau
Zeit gelassen, was?» Er leerte den Rest des einzigen Glases, das er sich
gestattet hatte. Leerte es schnell wie ein Mann im Pub, der weiß, dass er, wenn
er noch bleibt, die nächste Runde zahlen muss und deshalb schleunigst das Weite
sucht. «Und Sie sind ziemlich oft mit Barron ins Bett gegangen?»
Zum Teufel! Wenn dieser Typ
hier zufällig sanfter, interessanter, beredter war als so mancher ihrer Gelegenheitspartner
— na wenn schon, verdammt noch mal!
«Ja», sagte sie herausfordernd.
«Und er war ziemlich gut im Bett.»
«Ich muss Ihnen eine traurige
Mitteilung machen», sagte Morse langsam. «Mr. Barron ist tot.»
«Dachten Sie etwa, das wüsste
ich noch nicht?»
«Wie haben Sie es erfahren?»
«Ich bin doch nicht von
gestern...»
Er stand auf und setzte sich
neben sie. Einen Augenblick hielt er ihre Rechte locker in der seinen, dann
knöpfte er die obersten drei Knöpfe des Kleides, das sie auf seinen Wunsch ohne
Unterwäsche trug, wieder zu.
Er verließ das Zimmer und sie
hörte ihn am Telefon sagen: «Radio Taxis? ... Einen Wagen, so bald wie
möglich... nach Burford... auf mein Konto bitte... Morse.»
Die beiden frisch gefüllten
Gläser — eins für sie, eins für ihn — blieben unberührt auf dem vor Ms. Debbie
Richardsons Ankunft spiegelblank geputzten Couchtisch stehen.
Kapitel
46
Das
Aufeinanderprallen von Klassizismus und Neugotik kann der Besucher sehr schön
am oberen Ende der Beaumont Street erleben, wo er zur Linken die griechische
Pracht des Ashmolean und zur Rechten den gotischen Schwung des Randolph
Hotel vor sich hat.
(Jan
Morris, Oxford)
Das Spires Restaurant des Randolph Hotel ist von beeindruckender Eleganz. Auf einem Fries, der
sich durch den ganzen Raum zieht, kann man eine vollständige Sammlung aller
Wappen
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