Und kurz ist unser Leben
der Oxforder Colleges bewundern. Wandleuchter und zwei Kronleuchter an
der hohen Balkendecke sorgen in dem braun tapezierten Raum für dezente
Beleuchtung und eine bei aller Förmlichkeit angenehm entspannte Atmosphäre. Die
zwanzig mit braunen Tischdecken, glänzendem Silber, funkelnden Weingläsern und
ockerfarbenen Servietten eingedeckten Tische sind großzügig im Saal verteilt.
Die Sessel — alle im gleichen Stil — sind flaschengrün gepolstert, und die
Farbgebung des Restaurants wird von den meisten (wenn nicht von allen) Gästen
als ausgesprochen glücklich empfunden. Durch zwei große Fenster auf der
Nordseite sieht man auf die Beaumont Street, das Ashmolean Museum und das Taylorian
Institute direkt gegenüber, während Gäste, die an den drei ebenso großen
Fenstern der Ostseite sitzen, einen schönen Blick auf das Martyr’s Memorial,
St. John und Balliol College und — gemeinsam mit den anderen Gästen — auf St.
Giles haben, die breiteste Straße Oxfords und optisch einer der schönsten
Boulevards in ganz England.
Am gleichen Abend um 19 Uhr 15
hatte ein Mann, der sich in Begleitung einer viel jüngeren Frau befand,
offenbar freiwillig auf den einen wie den anderen Ausblick verzichtet, denn
beide hatten einen (für drei Personen gedeckten) Tisch an der fensterlosen
Westseite des Restaurants gewählt und wandten den anderen nicht sehr
zahlreichen frühen Abendgästen den Rücken zu wie Menschen, die zwar nicht
wirklich etwas dagegen haben, gesehen zu werden, andererseits aber auch nicht
erpicht darauf sind, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Um 19 Uhr 25 sah der Mann
erneut auf seine Armbanduhr, während der schwarz befrackte Kellner sich
erkundigte, ob die Herrschaften vielleicht noch einen Aperitif wünschten.
Der Cocktail, den sie gerade
getrunken hatten, war nach Meinung der jungen Frau zwar teuer, aber «absolut
lecker» — Cognac, Kümmel, Erdbeerlikör, aufgefüllt mit eiskaltem Champagner —,
und sie nickte. Eine kleine Freude muss der Mensch sich schließlich gönnen.
«Noch einmal dasselbe», sagte
Frank Harrison. «Ailish-Cocktails.» Als der Ober sich entfernt hatte, fragte
er: «Wo, zum Teufel, steckt er? Ich hab schließlich nicht den ganzen Abend
Zeit.»
«Musst du heute noch zurück,
Dad?»
«Darum geht es nicht. Sieben
Uhr fünfzehn ist sieben Uhr fünfzehn.»
«Mit seinem Gehör ist es nicht
besser geworden. Wahrscheinlich hat er sieben Uhr fünfzig verstanden.»
«Wer um Himmels willen
verabredet sich für sieben Uhr fünfzig zum Abendessen?»
Sarah antwortete nicht. Sie sah
sich um und freute sich an der majestätischen Würde des Restaurants. Dabei war
es ihr gar nicht unlieb, dass der Vater sich über Simon ärgerte. Sie hing seit
jeher mehr an ihrem Vater, während Simon ein sehr herzliches Verhältnis zu
seiner Mutter gehabt hatte. Nur wird über solche Dinge in Familien nicht offen
gesprochen, und das ist gut so. Warum ihre Liebe zum Vater schon immer so
besitzergreifend gewesen war, hätte sie nicht sagen können, aber wann sie zum
ersten Mal bewusst Eifersucht verspürt hatte, daran erinnerte sie sich noch
genau. Eines Abends hatte sie sich, als im Haus eine Party gefeiert wurde, nach
unten geschlichen und beobachtet, wie ihr Vater in der Küche eine junge Frau
küsste. Damals war sie erst sechs gewesen, aber sie hätte die Frau umbringen
können. Was hatte sie empfunden? Fassungslosigkeit? Schock? Empörung? Von allem
etwas, wie in einem Cocktail — aufgefüllt mit eiskalter Eifersucht.
Um 19 Uhr 48 erschien Simon,
der genau wie sein Vater nicht gerade strahlender Laune war.
«Ihr seid aber früh dran»,
wunderte er sich, während er sich setzte. «Hatten wir nicht sieben Uhr fünfzig
gesagt?»
«Schwamm drüber.» Sein Vater
reichte ihm die Speisekarte.
«Ich könnte einen
Begrüßungsschluck vertragen, Dad.»
«Konzentrier du dich gefälligst
auf den Fragebogen da!»
Simon las, was an leckeren
Dingen unter den Überschriften Vorspeisen... Hauptgänge... Dessert...
Getränke... angeboten wurde, und seine Stimmung hob sich, bis Vater
Harrison schroff die Vorspeisen strich, den Ober rief und die Hauptgerichte
bestellte: Perlhuhn; Kalbsleber; Steak (medium) . Und eine Flasche anständigen
Rotwein.
«Nur eine?», fragte Simon. «Für
drei?»
«Sarah muss noch fahren.»
«Bist du nicht auch mit dem
Auto da, Dad?», wollte Sarah wissen.
«Ich brauche mir von meiner
Tochter nicht vorschreiben zu lassen, wie viel ich trinken darf.»
Sarah legte die
Weitere Kostenlose Bücher