Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
unter dem Namen
«Marathon» bekannt ist — um sie zu bewältigen, ohne zwischendurch immer wieder
eine Erfrischung einzunehmen oder sich periodisch zu übergeben —, muss man die
Hälfte seiner Jugendjahre einem ganz unerträglichen Maß an Training und
Ausdauer opfern. Eine solche Opferbereitschaft ist nichts für mich.
    (Diogenes
Small, 1779-1805, The Joys of Occasional Idletiess)
     
    Als Lewis an der Kreuzung Sheep
Street und High Street abgebogen war und sich mit dem Streifenwagen in die
Schlange eingefädelt hatte, die dem A40-Kreisverkehr zustrebte, deutete Morse gebieterisch
nach rechts, zum Cotswold Gateway Hotel.
    Auf einer Wandbank im Gastraum
sitzend, probierte Morse das fassgelagerte Ale und fand es «nicht übel». Lewis
saß ihm gegenüber, trank in kleinen Schlucken seinen Orangensaft und schwieg.
    Morse war sichtlich sauer.
    «Holen Sie mir mal eine Packung
Zigaretten, Lewis. Dunhill, wenn sie haben. Ich hab offenbar...»Wie eh und je
tastete er seine Hosentaschen ab, schien aber nichts Bares darin zu finden.
    «Ich dachte, Sie hätten
aufgehört», wagte Lewis zu bemerken, als Morse Minuten später die Packung aus
der Zellophanhülle schälte.
    «Heute die erste», sagte Morse
sichtlich zufrieden und inhalierte genüsslich.
    Auch Lewis holte tief Luft.
«Sie dürfen mir nicht böse sein, wenn...»
    «Aber nein.» Morse schob sein
leeres Glas über den Tisch.
    Lewis probte, während er am
Tresen wartete, seinen sorgfältig formulierten Satz und legte los, sobald er
sich wieder gesetzt hatte.
    «Sie dürfen mir nicht böse
sein, Sir, wenn...»
    «Sie haben veranlasst, dass
jemand sich um Mrs. Barron kümmert?»
    «Ja. Ich hab Dixon
hingeschickt, zusammen mit der Polizistin Towle, sie hat Erfahrung in solchen
Sachen.»
    Zum werweißwievielten Mal in
seiner Zusammenarbeit mit Morse wusste Lewis in diesem Moment, dass der Wind
ihm nicht mehr günstig war und dass es nun Morse sein würde, der heiter
dahinsegelte, wie immer das Wetter auch sein mochte. Und tatsächlich...
    «Sorgen, Lewis?»
    «Allerdings. Angefangen haben
wir mit zwei Morden, und Sie haben gesagt, dass Sie wissen, wer der Mörder ist.
Und jetzt wird Ihr Mörder selber ermordet und...»
    «...und es bringt uns nicht
weiter, wenn wir den ganzen Tag im Pub herumsitzen und nichts tun als denken.
Wollten Sie das sagen?»
    «Ja. Warum gucken wir uns nicht
mal an, was wir schon haben ? Das Beweismaterial, meine ich.»
    «Sie reden in Kursivschrift mit
mir.»
    «Mag sein. Aber meinen Sie
nicht, dass es Zeit wäre, noch mal ganz von vorn anzufangen?»
    «Nein», sagte Morse (nicht
kursiv). «Wir fangen am besten mit den roten Laufschuhen an.»
    «Einverstanden. Da stehen wir
nämlich ganz gut da. Mehr als zehn, zwölf Leute in Oxfordshire, die so ein Paar
besitzen, kann es kaum geben. In ein paar Tagen haben wir ihn. Garantiert.»
    «Hoffen wir das Beste, lieber
Lewis. Merkwürdig ist die Sache trotzdem. Um Viertel vor acht sichtet ihn Mrs.
Bayley. Und als Barron um zehn nach zehn von der Leiter fällt, läuft er immer
noch?»
    «Nicht alle sind so unsportlich
wie Sie.»
    «Na, hören Sie mal! In der Zeit
hätte sogar ich den Marathon geschafft.»
    Lewis lächelte vor sich hin.
    «Was mich bei den Morden an
Flynn und Repp störte», fuhr Morse fort, «war die Frage, wie jemand sich aus
dem Wagen davonmachen konnte, ohne dass den Leuten das Blut an seinen Sachen
auffiel. Und dann kam mir die Erleuchtung: Bei Barron wäre es überhaupt nicht
aufgefallen. Sein Overall war schon vor den Morden voll rotbrauner Flecke von
der Farbe, mit der er Debbie Richardsons Anbau gestrichen hatte. Bei ihm hätte
sich niemand an diesem Anblick gestört, zumindest nicht in Lower Swinstead. Es
ist schließlich nicht so, als wenn man sich auf der Queen Elizabeth 2 eine
Flasche Rotwein über den weißen Smoking schüttet, nicht?»
    «Ich hab da keine einschlägigen
Erfahrungen, Sir.»
    «Bin ich zu clever?»
    «Vielleicht.»
    «Der springende Punkt war, dass
ich Barron für clever gehalten habe. Und allen Theorien der Kriminologen zum
Trotz gibt es tatsächlich clevere Kriminelle.»
    Lewis nickte. «Ganz schön
clever von unserem Mörder, ihn von der Leiter zu stoßen. Keine Tatwaffe, keine
Fingerabdrücke...»
    «Hm.» Morse leerte sein Glas
und stand auf. «Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass mein
Kopf jetzt sehr viel klarer ist. Trotzdem ist mir immer noch rätselhaft, warum
unser Mörder freiwillig fast unvermeidliche Aufmerksamkeit auf sich

Weitere Kostenlose Bücher