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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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der
Fingerabdrücke. Morse hat ihn gebeten, Barrons Fingerabdrücke abzunehmen, aber
das wissen Sie wahrscheinlich.»
    «Natürlich», schwindelte Lewis,
dessen Hochstimmung sich rasch verflüchtigte.
    «Na ja, und das war’s dann. Der
alte Morse hat wohl gehofft... sozusagen...»
    Ja, Lewis wusste genau, was
Morse gehofft hatte. «Hat Andrews was gefunden?»
    «Er arbeitet noch dran.
Unappetitliche Sache, sagt er. Sobald er was hat... Ich war grad bei Morse und hab
ihm das Zeug durch den Briefschlitz geschoben. Schätze, dass er zu Hause war.
Der Fernseher lief, und...»
    « Was? »
    «Doch, bestimmt. Aber er hat
nicht aufgemacht. Komischer Kauz. Sozusagen.»
    Inzwischen war Lewis von Dixons
umständlicher Redeweise und dem «sozusagen», seinem allseits bekannten
Markenzeichen, derart genervt, dass er heilfroh war, als der Lautsprecher in
ihr Gespräch hineindröhnte:
     
    «Nachricht für Chief Inspector
Morse oder Sergeant Lewis: Bitte rufen Sie unverzüglich Spurensicherung Northampton
an. Ich wiederhole. Nachricht für...»
     
    Und wo bist du in dieser
Hierarchie, Dixon? Nirgends, mein Junge — das schreib dir hinter die Ohren! Doch diese unfreundlichen
Gedanken behielt Lewis für sich. Er sprang auf und ließ Dixon mit
krapfengeblähten Backen allein sitzen.
    Zwei Minuten später war er mit
einem triumphierenden Andrews verbunden. Hurra, ein Treffer! Im Auto! Zweimal,
glasklar: Fingerabdrücke von J. Barron, Maurer- und Malerarbeiten, Lower
Swinstead!
    Während er zur Kantine
zurückging (der Anschluss des Chief Inspector war immer noch besetzt), ließ
sich Lewis das Gespräch mit Andrews noch einmal durch den Kopf gehen. Der war
von Morse gebeten worden, ihn sofort zu benachrichtigen, wenn es etwas Neues
gab, was, wie sie beide wussten, nicht sehr wahrscheinlich war. Jetzt aber war
die Lage völlig klar, und Lewis gab neidlos zu, dass die Überzeugung des Chief
Inspector, Barron sei in die Morde verwickelt, glänzend gerechtfertigt war. Für
mehr als drei Leute dürfte in dem vollgerümpelten gestohlenen Wagen kaum Platz
gewesen sein. Und da weder Flynn noch Repp besagten Wagen lebend verlassen
hatten, war die Entdeckung der Fingerabdrücke eine kleine Sensation: Barron
selbst hatte in dem Wagen gesessen. Die logische Schlussfolgerung klang, so
formuliert, ganz schön kindisch, aber...
    Andrews hatte sich gedacht,
dass Morse plötzlich fest eingeschlafen war, nachdem... hm, ja... Dixon hatte
sich gedacht, dass er vor dem in voller Lautstärke laufenden Fernseher gesessen
und deshalb nichts gehört hatte. Letztere Erklärung schien wenig
wahrscheinlich. Es war natürlich denkbar (Lewis ließ sich zum zweiten Mal an
diesem Tag zu einer respektlosen Überlegung hinreißen), dass Morse sich mit
einem Porno-Video vergnügt hatte, aber hätte er das überhaupt zum Laufen bringen
können? Kaum — zumal er keine Kinder (oder besser noch Enkel) als technische
Nothelfer hatte. Morse hatte mit dem Fernsehen nach eigener Aussage sowieso
nicht viel am Hut, schaute höchstens die Nachrichten. Gelegentlich. Eher
selten.
    Lewis trank seinen Kaffee und
verarbeitete langsam die erstaunliche Neuigkeit, dass Barron ein Mörder war —
bei der ganzen traurigen Geschichte die zweite Tatsache, die jetzt unstrittig
schien.
    Er versuchte noch einmal, Morse
telefonisch zu erreichen. Wenn es wieder nicht klappte, würde er hinfahren und
nach dem Rechten sehen, denn so langsam machte er sich Sorgen.
    Der Anschluss war noch immer
besetzt.
     
     
     
     

Kapitel
57
     
    Ach,
könnte dein Grab in Charthago sein! Sorg dich nicht: Wo ich falle, grab mich ein!
Überall wird man hören das Jüngste Gericht: Aber auf Gottes Altar, oh!, vergiss
mich nicht.
    (Matthew
Arnold)
     
     
    Morse machte auf, nachdem Lewis
Sturm geklingelt hatte. «Und ich hatte mich schon auf einen Ruhetag gefreut,
wie es ihn angeblich nach der ersten Hälfte der Cricket-Meisterschaften immer
gibt.»
    In Wahrheit war es bei ihm mit
der Ruhe an diesem Tag nicht weit her gewesen.
    Am frühen Morgen hatte er, wie
wir wissen, Sergeant Dixon angerufen und ihm eine Aufgabenliste übermittelt.
    Um zehn hatte er einen
intelligenten, blassen Herrn mittleren Alters von der Lloyd’s Bank empfangen,
einen Guru für (unter anderem) Testamente, letztwillige Verfügungen, Nachträge
und Beurkundungen.
    «Nach Ihren Darlegungen, Mr.
Morse, handelt es sich bei dem, was Sie zu hinterlassen haben, nicht um ein
großes Vermögen. Und da Sie keine Verwandten, keine unmittelbaren

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