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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Angehörigen,
keine großen Schulden haben, ist es am vernünftigsten, wenn Sie ein paar Sachen
auf einer halben A4-Seite schriftlich festhalten, damit sparen Sie sich eine
Menge Geld. Wenn Sie wollen, können Sie es gleich machen. Ein paar simple
Sätze: Bank Pünktchen-Pünktchen, Bücher und Schallplatten Pünktchen-Pünktchen, die
übrige Erbmasse Pünktchen-Pünktchen.> Damit ist im Augenblick alles
abgedeckt, und darum geht es Ihnen ja, wie Sie sagen. Sie unterschreiben, ich
setze meine Unterschrift als Zeuge darunter und sorge dafür, dass alles
entsprechend geregelt wird für den Fall, dass... Ausführlicher formulieren
können wir es später immer noch.»
    «Sie sehen da keine Probleme?»
    «Nein. Als Bank nehmen wir
natürlich eine kleine Gebühr, aber damit haben Sie wohl gerechnet.»
    «Ja, Mr. Daniel, damit habe ich
gerechnet», sagte Morse.
    Um 11 Uhr 15 war er mit dem Bus
2A die Banbury Road hinunter bis zur Keble Road gefahren, dort ausgestiegen und
über die Woodstock Road zum Radcliffe Infirmary gegangen, wo man ihn in ein
Büro im ersten Stock wies.
    «Ja? Was kann ich für Sie tun?»
Die Frau am Schreibtisch schien eine ziemlich wichtige Persönlichkeit zu sein.
Sie hatte tadellos frisiertes graues Haar und eine gnadenlos präzise
Aussprache.
    «Ich möchte gern meine Leiche
dem Krankenhaus hinterlassen.»
    «Da sind Sie an der richtigen
Adresse.»
    «Was muss ich machen?»
    Sie nahm ein Formular aus einer
Schublade. «Füllen Sie das bitte aus.»
    «Und das ist alles?»
    «Vergessen Sie nicht, Ihrer
Frau, Ihren Kindern und Ihrem Hausarzt Bescheid zu sagen, damit es keine
Probleme gibt.»
    «Danke.»
    «Ich muss Sie allerdings darauf
aufmerksam machen, dass wir möglicherweise Ihre Leiche nicht gebrauchen können.
Die Nachfrage ist — äh — veränderlich. Aber mit so etwas müssen Sie rechnen.»
    «Ja, durchaus», sagte Morse.
    «Und sehen Sie zu, dass Sie
möglichst in der Nähe sterben. Aus Kanada können wir Sie nicht zurückholen.»
    Vielleicht war das schwarzer
Humor.
    «Nein, natürlich nicht.»
    Es war eine unerfreuliche
Erfahrung für Morse, der jetzt langsam die St. Giles zum Randolph ging.
Zumindest ein bisschen Dankbarkeit hätte die gute Dame schon an den Tag legen
dürfen. Stattdessen hatte sie so getan, als erwiese sie ihm einen Gefallen,
wenn sie sich (mit Vorbehalt!) bereit erklärte, eine Leiche zu akzeptieren, die
den in der Ausbildung befindlichen Anatomen und Pathologen bestimmt einige
hochinteressante Dinge zu bieten hatte: Leber, Nieren, Lunge, Pankreas, Herz...
    In der Chapter’s Bar begrüßte ihn Ailish Hurley, seine Lieblingsbardame, mit ihrem bezaubernden
irischen Dialekt, und als er zwei Pints später zur Magdalen Street hinüberging,
wo er fast ohne lästiges Warten einen Bus erwischte, der ihn zur Banbury Road
zurückbrachte, fand er, dass die Welt sehr viel freundlicher aussah als noch
vor einer halben Stunde.
    Zu Hause genehmigte er sich
einen (relativ kleinen) Glenfiddich, da er ausgerechnet hatte, dass sich die
flüssige Mittagsmahlzeit und seine Insulindosis heute perfekt die Waage
hielten. Ja, es ging entschieden bergauf, zumal das Telefon den ganzen Tag
nicht geläutet hatte. Wie schön wäre es, wenn man noch einmal in die Zeit vor
Telefon und Handy, vor Fax und E-Mail eintauchen könnte...
    Als krönenden Abschluss gönnte
er sich nachmittags ein Video, schlief vor dem Fernseher aber bald ein und
meinte nur irgendwann in halb wachem Zustand ein Geschiebe und Geraschel am
Briefschlitz zu hören.
     
    Eine Stunde später machte er
den Umschlag auf und las Dixons Notizen über Simon Harrison, Paddy Flynn und
Mrs. Holmes.
    Interessant. Hochinteressant.
Und mehr oder weniger das, was er erwartet hatte.
    Nur eins beunruhigte ihn ein
wenig. Warum hatte Lewis sich nicht gemeldet? Er wollte gar nicht, dass Lewis
sich meldete, aber... aber vielleicht doch. Als er sich dann dazu aufgerafft
hatte, Lewis von sich aus anzurufen, stellte er fest, dass das Telefon kaputt
war. Oder nicht? Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Morgens
hatte er mit Dixon von seinem Schlafzimmer aus telefoniert, hatte dann nach
unten gehen müssen, um eine Adresse im Telefonbuch nachzuschlagen, hatte dort
das Gespräch zu Ende geführt und vergessen, im Schlafzimmer den Hörer
aufzulegen. Das passierte ihm nicht zum ersten Mal und sicherlich nicht zum
letzten Mal. Kein Unglück: Er würde Lewis selber anrufen,

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