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Und manche liebe Schatten steigen auf

Und manche liebe Schatten steigen auf

Titel: Und manche liebe Schatten steigen auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Reinecke
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zu bewerben, ließ Mendelssohn doch verlauten, dass er bereit sei, der Nachfolger Zelters zu werden, falls man ihm das Vertrauen dazu entgegen brächte. Aber man zog Rungenhagen   vor, einen jungen, leidlich tüchtigen Musiker, welche die Stelle interimistisch vertreten hatte, mit Mendelssohn aber in keiner Weise zu vergleichen war. Dieser verschmerzte die Kränkung zwar bald, doch war ihm jetzt eine Einladung, das in Düsseldorf stattfindende Niederrheinische Musikfest zu dirigieren, doppelt willkommen. Nachdem er zuvor noch einem Rufe zu Konzerten in London gefolgt war und dort u. a. seine A-Dur Symphonie zur ersten Aufführung gebracht hatte, traf er rechtzeitig zu den Musikfest-Proben ein. Mit der Aufführung des Händelschen „Israel in Ägypten“ feierte er einen wahrhaften Triumph, und dieser veranlasste den Düsseldorfer Magistrat, ihm die Stelle eines städtischen Musikdirektors daselbst anzutragen. So sehen wir ihn dann bis zum Jahre 1835 in diesem Amte eifrig wirken und schaffen. Auf kurze Zeit hatte er auch im Verein mit Immermann        die Leitung des Düsseldorfer Theaters übernommen, doch litt es ihm nicht lange in dieser Stellung. Zerwürfnisse mit Immermann, eine boshafte, ja rohe Opposition verleideten ihm diese Wirksamkeit; dennoch hatte er in der kurzen Zeit schon sehr viel zur Hebung der Oper getan, und vor kurzem wurden dem Düsseldorfer Theatergebäude die Medaillons von Mendelssohn und Immermann eingefügt zum Andenken an ihre damalige segensreiche Tätigkeit. Das Hauptergebnis seines Düsseldorfer Aufenthaltes war aber jedenfalls die Komposition eines bedeutenden Teiles vom „Paulus“. Im Jahre 1835 siedelte Mendelssohn nach Leipzig über, um die ihm angetragene Stellung als Kapellmeister der schon damals berühmten Gewandhaus-Konzerte zu übernehmen. Am 4. Oktober 1835 dirigierte er zum ersten Male, und von diesem Tage an datiert die eigentliche Glanzperiode dieses weltberühmten Konzertinstitutes. Über Mendelssohn den Dirigenten jedoch später! Mendelssohn fühlte sich in Leipzig besonders wohl und glücklich. Er schreibt selbst: „So habe ich hier diesen ganzen Winter hindurch noch keinen verdrießlichen Tag, fast kein ärgerliches Wort von meiner Stellung und viele Freuden und Genüsse gehabt. Das ganze Orchester, welches sehr tüchtige Männer enthält, sucht mir jeden Wunsch an den Augen abzulesen, hat die merklichsten Fortschritte in Feinheit und Vortrag gemacht und ist mir so zugetan, dass mich's oft rührt.“ Selbstverständlich fällt in diese Leipziger Zeit die Entstehung fast aller nun folgenden Schöpfungen Mendelssohns. Zunächst vollendete er hier sein Oratorium „Paulus“. Die erste Aufführung desselben fand auf dem Düsseldorfer Musikfeste am 22. Mai 1836 statt, und von da an trat es seinen Siegeslauf an durch alle Länder, in denen man dem Oratorium eine Stätte bereitet hatte. In neuerer Zeit hat man dem Werke wiederholt den Vorwurf von „weichlicher Erfindung“ gemacht. Das konnte aber sicherlich nur in einseitigem Hinblick auf einzelne Nummern geschehen; denn die Musik ermangelt nie der Kraft und Energie, sobald die Worte es gestatten; man denke an die fanatischen Chöre: „Dieser Mensch hört nicht auf Lästerworte zu reden“, „Weg, weg mit dem“, „Steiniget ihn“, an die anderen: „Mache Dich auf, werde Licht“, „O welch eine Tiefe“, an die Soli: „Wir haben ihn gehört Lästerworte reden“, „Vertilge sie Herr Zebaoth“ u. s. w. Diesen Nummern gegenüber sind die schwächeren (wie etwa: „So sind wir nun Botschafter“, „Lasst uns singen von der Gnade des Herrn“ etc.) nur wenige, und wo wäre das Händelsche Oratorium, überhaupt dasjenige ebenso umfangreiche Werk, in dem nicht neben dem vollkommen Gelungenen auch Schwächeres zu finden wäre? Jedenfalls hat Mendelssohn als kaum den Jünglingsjahren entwachsener Mann es vermocht, ein Oratorium zu schaffen, welches, ohne direkte Anlehnung an die alten Meister und mit Verwertung neu errungener Mittel, dennoch Würde und Ernst mit moderner Anschauung vereint. Und Tatsache ist es, dass seither kein einziges geistliches Oratorium wieder geschrieben wurde, welches sich in ähnlicher Weise wie „Paulus“ und „Elias“ neben den Händelschen behauptet hätte. Wurde doch der Elias noch im Jahre 1895 allein in Deutschland dreizehnmal aufgeführt! Wie wohltuend berührt es, gegenüber den erwähnten, oft in verletzender Form ausgesprochenen Urteilen, wenn Robert Schumann schreibt:

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