Und manche liebe Schatten steigen auf
„Es ist der Paulus ein Werk der reinsten Art, eines des Friedens und der Liebe.“ Ferner: „Man sieht, Einwendungen, und auch begründete, lassen sich machen, und der Fleiß der Kritik soll auch in Ehren gehalten werden. Dagegen vergleiche man aber, was dem Oratorium niemand nehmen wird – außer dem innern Kern die tiefreligiöse Gesinnung, die sich überall ausspricht, betrachte man all das musikalisch-meisterlich Getroffene, diesen höchst edlen Gesang durchgängig, diese Vermählung des Wortes mit dem Ton, der Sprache mit der Musik, dass wir alles wie in leibhaftiger Tiefe erblicken, die reizende Gruppierung der Personen, die Anmut, die über das Ganze wie hingehaucht ist, diese Frische, dieses unauslöschliche Kolorit in der Instrumentation, des vollkommen ausgebildeten Stiles, des meisterlichen Spielens mit allen Formen der Satzkunst nicht zu gedenken – man sollte damit zufrieden sein, meine ich.“
Der Lebensgang unseres Meisters ist von nun an ein ruhigerer; ruhiger allerdings nur insofern, als er vom Jahre 1835 – 1847 vorzugsweise in Leipzig als Dirigent der Gewandhaus-Konzerte und später als künstlerischer Leiter des von ihm im Jahre 1843 begründeten Konservatoriums verblieb. Im Schaffen war er bis an sein Ende rastlos. Am 19. November 1835 hatte er den großen Schmerz, seinen über alles geliebten Vater zu verlieren; am 28. März 1837 schloss er den Ehebund mit Cäcilie Jeanrenaud aus Frankfurt a. M. , der mit Anmut, Schönheit und allen weiblichen Tugenden geschmückten Tochter des dortigen reformierten Predigers. Er wurde fortan unendlich oft zur Leitung von Musikfesten in Deutschland, in der Schweiz und England berufen. Doch wir wollen ihn nicht auf allen diesen Triumphzügen begleiten, da es die Leser ermüden würde, immer wieder von den gleichen unvergleichlichen Erfolgen zu erfahren. Der kunstsinnige König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen war inzwischen auch auf Mendelssohn aufmerksam geworden, und im Jahre 1841 musste dieser sich entschließen, dem wiederholten, in verbindlichster Weise an ihn ergangenen Rufe nach der Residenz zu folgen. Aber er nahm einstweilen nur auf ein Jahr Urlaub von Leipzig, nachdem er zuvor noch vom König von Sachsen, der ihn ebenfalls gern in Dresden gesehen hätte, zum Königl. Sächsischen Kapellmeister ernannt worden war. In Berlin bezog er ein Gehalt von 3000 Talern, ein Kapellmeistergehalt, welches man damals für ein enormes hielt. Friedrich Wilhelm IV. stellte Mendelssohn im Laufe der Zeit die Aufgaben, Musik zu folgenden Dramen zu schreiben, zu Sophokles' „Antigone“, dessen „Ödipus auf Colonos“, zu Racins „Athalia“ und endlich zu Shakespeares „Sommernachtstraum“, zu welch letzterem die geniale Ouvertüre allerdings schon seit Jahren existierte. Sind auch in den drei erstgenannten Werken herrliche Zeugnisse von Mendelssohns stets bereiter Erfindungskraft, feinster Empfindung für den adäquaten Stil und nie versagender Meisterschaft über alles Technische vorhanden, so stehen sie doch weit zurück gegen die Sommernachtstraum-Musik, welche – ähnlich wie Webers Musik zu Preciosa – dem Werke des Dichters erst zur Popularität verholfen hat. Die Elfenchöre, das Scherzo in G-moll und der kleine Elfenmarsch stehen in ihrer Art ebenso einzig da wie die Ouvertüre. Der Hochzeitsmarsch ist eine von den glücklichen, aber seltenen Inspirationen, die, ohne vulgär zu sein, dennoch zu solcher Popularität gelangen, dass sie ihre Wanderschaft um den ganzen Erdkreis antreten müssen. In den Melodramen aber entwickelt Mendelssohn einen Humor wie kaum je zuvor. Am 14. Oktober 1843 fand im neuen Palais zu Potsdam die erste Aufführung statt. Inzwischen hatte ihn der König laut eigenhändigen Schreibens vom 22. November 1842, aus Charlottenburg datiert, zum Generalmusikdirektor ernannt und ihm zugleich „die Oberaufsicht und Leitung der kirchlichen und geistlichen Musik“ übertragen. Ins Jahr 1843 fällt die Gründung und Eröffnung der ureigensten Schöpfung Mendelssohns, des Leipziger Konservatoriums. Wenngleich er niemals die offizielle Stellung als Direktor der Anstalt annahm und sich einfach als Lehrer an derselben betrachtet wissen wollte, so war er doch selbstverständlich die eigentliche Seele des Ganzen, ernannte die Lehrkräfte und übte Einfluss auf den Lehrgang etc., nur die Administration überließ er anderen. Wie rasch das Institut aufblühte, und welch stetigen Aufschwung es bis auf den heutigen Tag genommen hat, ist
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