Und manche liebe Schatten steigen auf
hatte Mendelssohn immer fleißig geschaffen, eine Menge von Werken: Klaviersonaten, Klavierquartette, eine Sonate für Klavier und Violine, Kantaten, Klavierstücke und Lieder waren entstanden, und im Jahre 1824 konnte schon die vierte Oper des fünfzehnjährigen Komponisten an seinem Geburtstage im Elternhause aufgeführt werden. Am 8. Februar schreibt Zelter darüber an Goethe wie folgt: „Gestern Abend ist Felixens vierte Oper vollständig mit Dialog unter uns aufgeführt worden. Es sind drei Akte, die nebst zwei Balletten etwa drittehalb Stunden füllen. Das Werk hat seinen hübschen Beifall gefunden. Von meiner schwachen Seite kann ich meiner Bewunderung kaum Herr werden, wie der Knabe, der soeben fünfzehn Jahre alt geworden ist, mit so großen Schritten fortgeht. Neues, Schönes, Eigenes, Ganzeigenes ist überall zu finden. Geist, Fluss, Ruhe, Wohlklang, Ganzheit, Dramatisches. Das Massenhafte, wie von erfahrenen Händen. Orchester interessant; nicht erdrückend, ermüdend, nicht bloß begleitend.“ Möchten wir auch heute bei Beurteilung dieses Werkes schwerlich alle jene Zelterschen Epitheta anwenden, so ist es doch eigentümlich, wie zutreffend sie den späteren Meisterwerken gegenüber sein würden. - Trotz aller bereits gegebenen eklatanten Talentproben hielt der Vater es dennoch für nötig, das Zeugnis einer unanfechtbaren musikalischen Autorität einzuholen, bevor er seine Einwilligung dazu gab, dass Felix die Laufbahn eines Musikers wandele. Hatte doch der Onkel Bartholdy seinem Schwager geschrieben: „Ich bin nicht ganz einverstanden, dass Du Felix keine positive Bestimmung gibst. - - Ein Musicus von Profession will mir nicht in den Kopf. Das ist keine Carrière, kein Leben, kein Ziel. - - Lass den Buben ordentlich studieren“ u.s.w. Der Vater aber ließ sich nicht beirren , sondern reiste mit seinem Sohne nach Paris zu Cherubini , den er erkoren hatte, das entscheidende Wort zu sprechen. Cherubinis Urteil fiel, wie nicht anders zu erwarten war, glänzend zugunsten des jungen Tondichters aus, und Cherubini erbot sich sogar, seine fernere musikalische Erziehung zu übernehmen, ein Anerbieten, dass der Vater jedoch dankend ausschlug, wahrscheinlich, weil er die Pariser Atmosphäre für die Entwicklung eines so jungen, impulsiven Menschen, wie sein Felix war, nicht für zuträglich halten mochte. Vom Juli 1824 bis zum August 1825 arbeitete der Jüngling an seiner Oper „die Hochzeit des Camacho“, deren Stoff dem Don Quixote des Chervantes entnommen ist. Sie kam am 29. April 1827 im Schauspielhause zu Berlin zur Aufführung und fand anscheinend Beifall, ward aber dennoch nicht wiederholt. Da Mendelssohn später keine Oper mehr komponierte – abgesehen von dem niedlichen Liederspiele „Die Heimkehr aus der Fremde“, das er lediglich zur Feier der silbernen Hochzeit seiner Eltern geschrieben hatte - , so ist dies die einzige öffentliche Aufführung einer eigenen Oper geblieben, die Mendelssohn je erlebt hat; denn bekanntlich raffte ihn der Tod dahin, bevor er die „Loreley“ hatte vollenden können. Die „Hochzeit des Camacho“ enthält eine flotte, etwas französisch angehauchte Ouvertüre und manche anmutende Nummern, hat aber im Ganzen wohl ihr Schicksal verdient, ein Schicksal, das den jungen Opernkomponisten anfangs allerdings betrübte und niederdrückte, andererseits aber seine energische Natur nur zu fernerem Streben aufrüttelte. Hatte er doch überdies in der zwischen Entstehung und Aufführung der Oper liegenden Zeit schon zwei Werke wieder vollendet, welche jene weit in den Schatten stellten. Im Jahre 1825, als Sechzehnjähriger, hatte er sein Oktett für Streichinstrumente, im Jahre 1826 seine Ouvertüre zu Shakespeares Sommernachtstraum geschrieben, und jeder Unparteiische wird eingestehen, dass beide Werke nicht bloß relativ als die eines kaum dem Knabenalter entwachsenen Jünglings, sondern positiv als künstlerische Taten von hoher Bedeutung anzuerkennen sind. Das Oktett ist von symphonischer Wucht und Breite, von bewundernswerter Klarheit in dem nicht selten komplizierten Stimmgewebe, eigentümlich und doch ungesucht sowohl in der melodischen Erfindung wie in der Harmonisierung. Die Schwester, die spätere Frau Fanny Hensel, verrät uns, dass die Worte aus Goethes Faust:
Wolkenflug und Nebelflor
Erhellen sich von oben,
Luft im Laub und Wind im Rohr,
Und alles ist zerstoben.
ihn zur Komposition des Scherzos anregten. „Mir allein sagte er, was ihm
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