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Und meine Seele ließ ich zurueck

Und meine Seele ließ ich zurueck

Titel: Und meine Seele ließ ich zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérôme Ferrari
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kleinen Gemütsbewegungen zu verstehen. Denn er weiß sehr gut, dass es kein Verbrechen ist, Kommunist zu sein, aber der Rebellion zu helfen, das ist nicht dasselbe. Das ist mehr als nur ein Verbrechen. Das ist Verrat. Was meinen Sie dazu, Monsieur Clément? Ist ›Verrat‹ das angemessene Wort oder wird es Ihnen gelingen, uns davon zu überzeugen, dass es übertrieben ist?
    – Ich habe niemanden verraten, sagt Clément. Und Sie haben kein Recht, mich wegen meiner Ideen festzuhalten. Ich verlange, dass Sie mich freilassen.
    Moreau muss lauthals auflachen. Capitaine Degorce trägt eine zerknirschte Miene zur Schau.
    – Sie missverstehen die Situation, beklagt er. Ich werde sie Ihnen erklären. Es gibt kein Recht. Es gibt nur Sie, eingesperrt, hier mit uns. So lange, wie wir es für nötig halten. Oder aus einer simplen Laune meinerseits heraus. Ich kann Sie bis zum Jüngsten Tag hierbehalten, Verzeihung: bis zum großen Abend der Revolution, Sie sehen, ich kann mich anpassen. Wir sind niemandem Rechenschaft schuldig. Und solange Sie uns nichts gesagt haben, werden Sie hier auch nicht rauskommen.
    Der Capitaine wendet sich an Moreau:
    – Wir werden unserem jungen Freund Zeit lassen, über all dies nachzudenken.
    Der Adjudant-Chef berührt Cléments Schnurrbart und zieht dabei eine Grimasse.
    – Das ist deine Art, Trauer für Kamerad Stalin zu tragen, hab’ ich recht? Na bitte, du wirkst damit wie ein Depp, mein Kleiner. Du wirkst wie ein ziemlicher Depp damit.
    – Lassen Sie ihn jetzt ein wenig zappeln, sagt Capitaine Degorce, sobald die Tür hinter ihnen zu ist. Und dann kehren Sie zurück und kochen ihn weich. Aber Sie rühren ihn nicht an. Jagen Sie ihm Angst in die Knochen, aber rühren Sie ihn nicht an. Ich will nicht, dass er auch nur irgendetwas über uns zu sagen hätte, wenn er hier rausgeht, verstanden, Moreau?
    – Ja, mon Capitaine.
    *
    – Ich werde uns etwas zu essen bringen lassen. Ich habe noch nichts gegessen heute.
    Tahar hat noch immer bloß Strümpfe an. Seine Schuhe stehen in einer Ecke, Mokassins aus geflochtenem Leder. Capitaine Degorce wirft einen kurzen, zufriedenen Blick auf sie, wird dann aber missmutig, da er in ihnen das greifbare und lächerliche Symbol seiner Macht erkennt. Er hat die Macht, ein Paar Schuhe zum Vorschein kommen oder zum Verschwinden bringen zu lassen, zu entscheiden, wer nackt bleiben muss und für wie lange, er kann Befehl erteilen, dass weder Tag noch Nacht durch die Türen der Zellen dringen, er ist Herr über Wasser und Feuer, der Herr der Qualen, er steuert eine ungeheuere und komplizierte Maschine, voller Leitungen, elektronischer Kabel, Gebrumme und Fleisch, beinahe lebendig, er liefert ihr unablässig den organischen Treibstoff, den ihre unstillbare Gefräßigkeit verlangt, er sorgt dafür, dass sie funktioniert, aber sie ist es, die seine Existenz beherrscht, und er kann nichts gegen sie tun. Er hat Macht stets verachtet, die unermessliche Ohnmacht, die seine Amtsausübung verhehlt, und noch nie zuvor hat er sich so machtlos gefühlt wie jetzt. Ein Soldat bringt zwei Teller und Tahar isst mit großem Appetit.
    – Wissen Sie, sagt Capitaine Degorce, ich habe schlussendlich nicht den Eindruck, als würde Ihre Festnahme meinen Vorgesetzten wirklich gefallen.
    – Gewiss nicht, stimmt Tahar zu.
    – Wie, gewiss nicht?
    Tahar leert seinen Teller und wischt sich den Mund ab.
    – Beim Schach gibt es, glaube ich, Situationen, in denen einer der beiden Spieler inmitten einer Partie versteht, dass er nicht mehr gewinnen kann. Alle Züge, die er spielen kann, und wirklich alle, werden seine Situation nur noch schwieriger gestalten, ganz gleich, was er tut, verstehen Sie. Jede Möglichkeit ist eine schlechte Möglichkeit. Und der Spieler weiß dies, aber er muss die Partie weiterspielen. Vielleicht, wenn er gut ist, kann er sie hinauszögern, aber etwas Entscheidendes wird nicht mehr passieren. Das ist genau Ihre Situation, auch wenn Sie sich dessen nicht bewusst sind. Mich nicht festzunehmen, ist schlecht. Mich festzunehmen, das ist vielleicht sogar noch schlechter. Es gibt nur schlechte Möglichkeiten. Für uns, Capitaine, gilt das Gegenteil. Wenn wir hier gewinnen, ist es gut. Wenn wir verlieren, wenn Sie alle Welt festnehmen, dann ist das auch gut. Ein Märtyrer ist tausendmal nützlicher als ein Mitkämpfer. Von daher werden Sie auch nie irgendeinen Sieg feiern. Sie werden einen guten Zug spielen, oder zwei, und aufgrund dieser guten Züge ...
    Tahar zuckt

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