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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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ein sehr vorsichtiger Fahrer. Immer wieder war ich kurz davor, ihn zu fragen, ob er nicht ein wenig schneller fahren könnte. Dass es ihm wie mir mit der Jawa ging, war ausgeschlossen, denn er war ja heil durch das Tor gekommen. Noch einmal hatte ich die Gelegenheit, die mehr oder weniger schönen Gebäude der Stadt anzuschauen, doch ich hatte keinen Blick dafür. Ich hoffte nur, dass Claudius in der Zwischenzeit nichts passiert war.
    Die ganze Zeit über schwiegen wir. Karol wirkte sehr konzentriert, als ginge er jetzt bereits die Therapie durch – dabei hatte er seinen Patienten noch nicht einmal gesehen. Oder fragte er sich, was ein DDR -Mädchen allein im Wald zu suchen hatte? Rucksackreisende steuerten normalerweise Campingplätze an.
    Als wir aus der Stadt heraus waren, lotste ich den Arzt zu der Einmündung des Waldweges. Für einen Moment war ich mir nicht sicher, ob es wirklich der richtige Weg war, den wir entlangzuckelten, doch dann sah ich das Zelt.
    »Da vorn!«, rief ich, worauf Dr. Karol seinen Wagen in der Nähe des Zeltes anhielt.
    Er hatte noch nicht mal den Motor abgestellt, da schnallte ich mich auch schon ab und riss die Tür auf. Fast stolperte ich auf dem Weg zum Zelt. Mein Herz raste wie verrückt vor Sorge.
    »Milena?«, fragte Claudius, als ich in das Zelt kroch.
    »Ja, ich bin hier«, antwortete ich, am ganzen Leib zitternd. Die Vorstellung, dass er in den vergangenen Stunden vergeblich nach mir gerufen hatte, brachte mich fast um. Ich streichelte über seine Stirn. »Es wird alles gut. Ich habe einen Arzt hier, der bringt uns nach Kladno.«
    »Arzt?«, wiederholte er abwesend und fiebrig, und ich wusste nun erst recht, dass ich das Richtige getan hatte.
    »Ist er wach?«, fragte es von draußen, worauf ich wieder aus dem Zelt kroch.
    »Ja, er ist wach. Aber ich glaube nicht, dass er aufstehen kann.«
    »Macht nichts.« Der Arzt krempelte seinen Kittel hoch, kroch in das Zelt und zog Claudius wenig später daraus hervor.
    »Helfen Sie«, sagte er zu mir, als es ihm gelungen war, Claudius wieder auf die Füße zu stellen. Ich stützte ihn an der einen Seite, während ihn Dr. Karol an der anderen Seite festhielt. Ihn ins Auto zu bugsieren, war nicht ganz einfach, aber schließlich saß er auf der Rückbank des Škoda, wo der Arzt nach ihm schaute.
    Er murmelte etwas auf Tschechisch, das ich nicht verstand. Als er das Stethoskop aus der Tasche holte, begann Claudius wieder zu husten.
    Der Arzt nickte, als hätte er so etwas erwartet, steckte sein Instrument wieder ein und wandte sich an mich.
    »Sie wollen Gepäck mitnehmen?«
    Nur wenige Minuten später wanderten das Zelt und alles, was darin war, in den Kofferraum des Škoda. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie schmutzig alles war, und die Aussicht, wenigstens ein paar Minuten unter einem festen Dach verbringen zu können, erschien mir wunderbar.
    Begleitet von Claudius’ Hustensalven fuhren wir zurück nach Kladno.
    An der Arztpraxis angekommen, warteten jetzt ein paar Patienten auf Dr. Karol. Dieser sagte etwas zu den Leuten im Wartezimmer, dann stützten wir Claudius auf dem Weg ins Behandlungszimmer.
    Auf der Liege klapperte er mit den Zähnen und wirkte so elend, dass ich am liebsten gleich losheulen wollte. Der Arzt schob ihm das Shirt hoch, horchte ihn ab. Von dem blauen Fleck an seiner Rippe war kaum noch etwas zu sehen.
    Auf seine Anweisungen ging Claudius kaum ein, wahrscheinlich nahm er es im Fieber gar nicht richtig wahr.
    »Der Junge hat Bronchitis, ist Glück, dass er nicht hat Lungenentzündung«, sagte Dr. Karol, als er mit der Untersuchung fertig war. »Ich gebe ihm Penizillin und Mittel gegen Fieber.« Noch nie hatte sich die Erwähnung der beiden Medikamente besser in meinen Ohren angehört.
    »Haben Sie Ort, an dem Sie bleiben?«, fragte er weiter, während er eine Spritze aufzog.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, wir wollten nach Ungarn.«
    Die Augenbrauen des Arztes zuckten kurz, was mich dazu brachte, nicht weiterzureden. »Sie auch gehen wollen über Grenze?«
    Ich zuckte zusammen. Dr. Karol hatte es genau getroffen.
    »Sie brauchen nichts sagen. Und auch keine Angst haben. Ich mag die Kommunisten nicht. Sie haben meinen Bruder umgebracht in Aufstand achtundsechzig.«
    »Das … das tut mir leid …«, presste ich hervor.
    Ich wusste nicht viel über den Aufstand, der als Prager Frühling in die Geschichte eingegangen war. Im Westfernsehen hatten sie mal davon berichtet. Damals konnte ich nicht glauben, dass

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