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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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meine Angst, die in meinem Bauch um sich biss.
    »Claudius«, redete ich leise auf ihn ein. »Kannst du mich hören, was ist mit dir?«
    Die Antwort war nur ein undeutliches Murmeln.
    Ich schluchzte verzweifelt auf, während sich mein Magen zusammenkrampfte. Er musste dringend zum Arzt! Was, wenn das Fieber noch höher stieg?
    Verzweifelt sah ich mich um, unfähig zu entscheiden, was ich jetzt tun sollte. Claudius hatte den Sprung aus der U-Bahn überlebt und jetzt fieberte er hier und ich wusste nicht –
    Mein Blick fiel auf das Motorrad.
    Nein, das konnte ich nicht. Aber hatte ich eine andere Wahl?
    Ich blickte wieder auf Claudius. Seine Augen waren halb geschlossen, seine Lippen ganz trocken. Schweiß perlte ihm von den Schläfen.
    Nein, ich musste los und die Stadt finden. Irgendwie würde ich das mit dem Motorrad schon hinbekommen. Ich musste es, denn als Claudius für mich aus der U-Bahn sprang, hatte er auch nicht gefragt, ob es gefährlich war.
    So gut es ging packte ich Claudius in sämtliche Klamotten, die wir dabeihatten. Ich erklärte ihm, wo ich hinfahren würde, doch ich war sicher, dass er es nicht aufnahm. Meine Tränen unterdrückend verließ ich schließlich das Zelt.
    Reiß dich zusammen!
    Ich stülpte mir den Helm über den Kopf und bockte das Motorrad ab. Angst kribbelte in meinem Magen, aber ich versuchte, sie zu ignorieren. Als ich die Maschine starten wollte, gab sie nur ein klägliches Blubbern von sich. Ich versuchte es noch einmal und ein weiteres Mal, dann endlich sprang sie an. Als ich Gas gab, heulte der Motor ganz furchtbar auf, sodass ich die Maschine beinahe losgelassen hätte.
    Sei nicht albern!,
sagte ich mir.
Du hast im PA an einer riesigen Bohrmaschine gestanden und hast jetzt Angst vor einem Motorrad?
    Als ich das Gas ein wenig nachließ, normalisierten sich die Geräusche wieder. Nun fand ich den Mut, mich auf das Motorrad zu schwingen. Ich legte den Gang ein, atmete tief durch und schaute noch einmal zu Claudius. Ich musste einen Arzt finden, egal wie! Langsam, beinahe etwas zu vorsichtig, ließ ich die Kupplung kommen. Die Maschine bockte kurz, hörte sich dann an, als wollte sie absaufen. Aber schließlich setzte sie sich in Bewegung.
    In den ersten Minuten saß ich völlig verkrampft auf dem Motorrad und wagte kaum, mehr als 60 zu fahren. Ich bog auf die Straße, von der wir gekommen waren, fuhr dann in Richtung Süden. Ein Auto, das hinter mir aufholte, hupte, doch ich kümmerte mich nicht darum. Ich spürte nur den Schweiß, der an meinem Rückgrat entlanglief, und das Rasen meines Herzens.
    Verdammt, warum musste Claudius gerade jetzt krank werden? Warum wurde er überhaupt krank? Wahrscheinlich war die Kälte der vergangenen Tage Schuld. Und dass er Kälte wahrscheinlich gar nicht mehr gewohnt war. Bei uns war es öfter mal kalt, wenn der Kachelofen in der Wohnung es nicht schaffte, den Winter zu vertreiben.
    Aber das war jetzt Nebensache. Während ich mehr und mehr an Sicherheit gewann und mich traute, einen Gang höher zu schalten, hielt ich nach Wegweisern Ausschau.
    Tatsächlich fand ich einen, der mich nach Kladno schickte.
    Eine halbe Stunde später erreichte ich die Stadt, die verblüffend groß war, aber ziemlich heruntergekommen aussah. Es gab einige imposante Hochhäuser, und ich fuhr auch an wunderschönen alten Gebäuden vorbei, die aussahen, als seien sie einem Märchenfilm der Barrandov-Studios entsprungen. Doch Zeit und Sozialismus hatten auch hier kräftig an den Gebäuden genagt. Zudem waren die Häuser genauso wie in Berlin mit einer Rußschicht verziert – Folge des Kohleabbaus, den es auch hier gab.
    Da ich beim besten Willen nicht wusste, wo ich in dem Straßengewirr eine Poliklinik oder eine Arztpraxis finden sollte, hielt ich auf einer belebten Ladenstraße an.
    Ich versuchte, mich auf Russisch durchzufragen, doch die meisten Leute sahen mich nur erstaunt an, konnten oder wollten die Sprache ihres Bruderlandes nicht sprechen.
    Eine alte Frau konnte es – sie erklärte mir, dass sie nach dem Krieg in russischer Gefangenschaft gewesen war.
    Mit ihr konnte ich mich einigermaßen unterhalten und sie nach einem Arzt fragen. Vor lauter Aufregung und Angst um Claudius entfielen mir hin und wieder die Worte, doch im Großen und Ganzen verstanden wir uns recht gut.
    Nachdem ich ihr erklärt hatte, dass ich aus der DDR stammte, riet mir die alte Frau davon ab, in die Poliklinik zu gehen. Das dachte ich mir auch, denn ich wollte nicht stundenlang warten,

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