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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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aufzuheben. Wenn wir Pech hatten, sahen wir es nie wieder. Aber das war jetzt unsere kleinste Sorge …
    Das Dorf, in das sie uns brachten, bestand aus ganzen fünf Gehöften, von denen eines leer stand. Ich konnte kaum glauben, was ich auf dem Ortsschild sah. Stand da Amerika? Das konnte doch nicht sein! Verhaftet in Amerika …
    Eine alte Frau stand vor einem der Häuser und betrachtete die beiden Polizeiwagen mit ausdrucksloser Miene. Inmitten dieser trostlosen Gegend wirkte sie so verloren, dass sie mir beinahe leidtat. Neben einem Gartenzaun pickten ein paar Hühner.
    Das sollte nun unsere Endstation sein?
    »Aussteigen!«, herrschte uns der Grenzer an.
    Uns blieb nichts anderes übrig, als der Aufforderung nachzukommen. Die Polizisten brachten uns in das leer stehende Haus wie zwei Schwerverbrecher.
    Glücklicherweise steckten sie mich zusammen mit Milena in einen Raum. Er war stickig und klein, die Tapete hatte einen riesigen Wasserfleck, der einem Hundekopf glich, und das Linoleum am Boden war abgewetzt und größtenteils verblichen.
    Als ich sah, wie sehr Milena vor Angst zitterte, hätte ich den Grenzer am liebsten geschlagen.
    Doch ich wusste auch, dass ich mich jetzt beherrschen musste, wenn ich nicht alles noch viel schlimmer machen wollte …
    Da das Fenster so schmutzig war, dass kaum Licht in den Raum dringen konnte, schaltete der Grenzer die Lampe ein, dann begann er, wie ein Wachhund um uns herumzulaufen.
    »Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, dass ihr damit durchkommt, oder?«
    »Womit denn?«, fragte ich. »Wir sind nur campen gefahren.«
    Der Mann lachte spöttisch auf. »Nur campen, ja? Ich glaube eher, Sie haben diese Minderjährige dort entführt.«
    »Das hat er nicht!«, verteidigte mich Milena, was ihr einen bösen Blick des Grenzers einbrachte. »Ich bin freiwillig mit ihm gefahren. Und wir wollten nur in der ČSSR campen, nichts weiter! Das ist doch nicht strafbar, oder?«
    Der Grenzer presste die Lippen zusammen. Mir fiel wieder ein, dass ich etwas davon geschrieben hatte, sie mitzunehmen über die Mauer. Ich Idiot! Die Stasi hatte den Brief ja mitgelesen und dann eins und eins zusammengezählt …

Send Me An Angel
16. August 1989
Milena
    Tja, und da standen wir nun, Blicke und Hände ineinander verschlungen, die Akkorde von »Heroes« im Ohr. Unsere Herzen rasten. Was würde aus uns werden? Waren dies die letzten Minuten, die wir zusammen hatten?
    Die Tür öffnete sich. Das Geräusch ließ mich zusammenzucken. Mit weit aufgerissenen Augen blickte ich zu dem Türflügel, auf dem die vergilbte Farbe Blasen warf. Im Hintergrund pladderte der Regen noch immer gegen die Scheiben.
    Die Männer, die nun eintraten, trugen keine Uniformen, doch sie stanken zehn Meter gegen den Wind nach Stasi. Ihre Haare waren ziemlich kurz geschoren, ihre Körper unter den Billigklamotten waren muskulös und grob. Ihre Hände sahen ganz danach aus, als würde es ihnen keine Mühe bereiten, jemanden zusammenzuschlagen.
    »Name«, fragte der eine streng, nachdem er sich vor uns aufgebaut hatte. Der andere blieb hinter uns, wohl für den Fall, dass wir uns umdrehen und türmen wollten. Aber wie sollten wir das anstellen bei all der Miliz draußen?
    »Milena Paulsen«, antwortete ich und blickte zu Claudius. Hoffte, dass er ihnen einen falschen Namen sagte.
    »Und Sie?«
    Claudius sah den Mann trotzig an. »Sagen Sie ihn mir doch. Sie wissen doch immer alles.«
    Für einen Moment glaubte ich, der Mann würde ihm ins Gesicht schlagen. Ein Ruck ging durch seinen Körper, als wollte er seinen Arm hochreißen, aber er beherrschte sich. Seine Nasenflügel bebten und seine Kiefergelenke wippten auf und ab.
    »Ihre Ausweispapiere?«
    »Liegen irgendwo im Wald«, entgegnete er.
    Auf einmal packte mich furchtbare Angst. Zu oft hatte ich die Leute reden hören, dass die Stasi auch nicht vor Gewalt zurückschreckte, wenn Gefangene nicht so wollten wie sie.
    Doch noch hatten sie nicht vor, Claudius zu schlagen.
    Stattdessen wandte sich der Stasimann an den Grenzer. »Haben Sie das Gepäck überprüfen lassen?«
    Der Grenzer nickte. »Ja, aber da war nichts. Keine Papiere oder auch nur ein Hinweis darauf, wer er ist.«
    Wie denn auch! Er trug die Papiere auf Ratschlag des Arztes am Körper. Wenn sie ihn allerdings zwangen, sich auszuziehen …
    »Wir haben Methoden, das rauszufinden«, drohte der Stasimann daraufhin.
    »Ach ja?« Claudius schien der Teufel zu reiten, denn er sah den Mann furchtlos an. Du musst mir

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