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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Weinen. »Nicht mal die Behörden hier wollten mir helfen! Sie hatten alle Angst vor denen da, und dein Vater …«
    Ihre Worte gingen in Weinen unter. Ich wusste aber, was sie sagen wollte. Mein Vater hatte nach dem Fluchtversuch keinen Ausreiseantrag gestellt. Aus welchen Gründen auch immer. Die Wut, die ich im Moment fühlte, sagte mir, dass er es nicht getan hatte, weil er feige war, weil er Angst vor der Stasi hatte und lieber gekuscht und seine Kinder belogen hat, als zu seiner Frau zu stehen, die weit mehr Mut bewiesen hatte.
    Doch mein Verstand sagte mir, dass das nicht so einfach war. Klar, Angst wird ihn getrieben haben, aber auch Sorge. Er wollte, dass wir in Ruhe aufwachsen, ohne uns zu fragen, welches Leben wir drüben hätten führen können.
    Allerdings rechtfertigte das nicht, meine Mutter vor mir totzuschweigen und meinen Bruder, der viel mehr wusste, als er zugab, darauf einzuschwören, mich zu belügen.
    »Was war mit Opas Bruder, Onkel Erwin? Wusste der nicht, dass du noch am Leben warst?«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Nein, das wusste er anscheinend nicht, sonst hätte er sicher versucht, Kontakt mit mir aufzunehmen. Immerhin wohnten wir in derselben Stadt.«
    »Aber Opa wusste es.«
    »Höchstwahrscheinlich. Es sei denn, dein Vater hat ihm auch irgendeine Lüge aufgetischt.« Meine Mutter seufzte schwer. Ich konnte nur ahnen, was jetzt in ihr vorging. Jahrelang hatte sie gehofft, mit ihrer Familie wieder vereint zu werden – und man hatte sie einfach abgeschrieben. Opa genauso wie Papa und Mirko. Das war einfach nicht fair. Ich hatte auf einmal eine Stinkwut im Bauch. Auf alle. Und ich bereute nicht, dass ich abgehauen war.
    »Und vor ein paar Tagen bekam ich nun Post von der Deutschen Botschaft in Prag, die mir schrieb, dass bei ihnen ein Mädchen sei, das behauptete, meine Tochter zu sein. Mir war an dem Tag so furchtbar schlecht vor Aufregung. Ist es möglich?, habe ich mich immer wieder gefragt. Und dann habe ich angerufen. Man nannte mir deinen Namen, und da musste ich mich erst mal setzen. Meine Beine waren butterweich. Milena! Meine Kleine war in die Botschaft geflüchtet. In dem Augenblick konnte ich das Telefonat nicht weiterführen, sondern musste erst mal heulen. So richtig drauflos, bis ich nicht mehr konnte. Erst dann rief ich noch einmal zurück und bestätigte, dass ich eine Tochter namens Milena hätte. Kurz darauf bekam ich ein Fax zugestellt, in dem deine Ausweispapiere kopiert waren. Ja, das warst du! Inzwischen wohntest du in Berlin, warst siebzehn und zu einer jungen Frau herangewachsen.«
    Sie warf mir einen liebevollen Blick zu, dann streichelte sie erneut meine Wange. »Ich bin so froh, dich wiederzusehen. Ich habe mich immer gefragt, wie du wohl heute aussehen würdest. Du und Mirko.«
    Ich sah sie an, dann schmiegte ich mich an sie. »Wie lange kannst du bleiben?«
    »So lange ich will. Allerdings muss ich morgen wieder los und anfangen, alle Dinge für dich zu klären. Frau Montag hatte mir erzählt, dass du Ärger mit der Stasi hattest und als politisch verfolgt gelten könntest. Das werde ich mir zunutze machen, und wenn du möchtest, nehme ich dich mit nach Hamburg. So lange wirst du hier in der Botschaft bleiben müssen, aber ich verspreche dir, das wird nicht lange dauern.«
    Wie lange hatte ich mir schon gewünscht, endlich eine Mutter zu haben. Dass ich nach Hamburg gehen würde, war dabei Nebensache, Hauptsache, ich musste nicht mehr dorthin zurück, wo Spitzel Briefe aufrissen und Schulkinder bedrohten und es ein Verbrechen war, jemanden aus der BRD zu lieben.
    »Dann hast du also noch die ganze Nacht Zeit? Oder bist du sehr müde.«
    »Müde, was ist das?«, fragte sie scherzhaft. Schön, sie hatte Humor. Das mochte ich.
    »Dann können wir ja schon heute anfangen, uns kennenzulernen. Reden.«
    »Das würde mich sehr freuen.« Wieder glitzerten Tränen in den Augen meiner Mutter.
    Und wir redeten. Die ganze Nacht. Ich erzählte ihr alles über die Ereignisse der letzten Schulwoche und das, was danach kam.
    »Claudius ist der Junge, mit dem Frau Montag aus dem Raum kam, oder?«, erkundigte sie sich zwischendurch.
    »Ja, das ist er.«
    »Sieht sehr nett aus. Und es gehört was dazu, für ein Mädchen in die DDR zu flüchten, um dann mit ihr wieder raus zu flüchten. Das hätte ganz furchtbar schiefgehen können.«
    Ich erinnerte sie wieder daran, dass es nicht schiefgegangen war. Sie presste die Lippen zusammen. Offenbar hatte sie noch was auf

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