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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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schwächelnden Filzstift nicht kaschieren konnte. Das Resultat meiner Aktion: ein verbogener Leimpinsel, gelbe Leimflecken auf meinem Teppich, die wie Rotze aussahen, und eine Wandzeitung, der man ansah, wie unmotiviert sie zusammengekleistert worden war. Aber immerhin hatte ich sie heute Morgen gleich bei Frau Heinrich abgegeben.
    Das war jetzt allerdings Nebensache. Ich musste herausfinden, was mit Lorenz los war.
    Zwei Pausen und zwei Unterrichtsstunden musste ich warten, bis ich endlich mit ihm reden konnte. In der Hofpause stand er meist in der hintersten Ecke, mit den Jungs aus der Zehnten, einigen von unseren Jungs und denen der Parallelklassen zusammen.
    Wenn man sich in diese Ecke wagte, musste man damit rechnen, ein paar dumme Sprüche zu kassieren. Aber diesmal siegte meine Neugier.
    »Ey, schaut mal, da ist Milka!«, rief natürlich Thomas, der Klassenclown aus der 10a, und die Jungs brachen in ein Gejohle aus, das dem Heulen eines Wolfsrudels ähnelte. Irgendwer von den Jungs musste es heute nicht ins Bad geschafft haben, denn es roch verdächtig nach Ziegenbock. Das hätte ich ihnen an den Kopf geknallt, wenn sie weitergemacht hätten, aber da schaltete sich auch schon Lorenz ein.
    »Mensch, lasst sie in Ruhe!«
    Er ignorierte die spöttischen Laute und kam zu mir. Von seinem Gesicht konnte ich ablesen, dass er bereits ahnte, weswegen ich hier war.
    »Was war los?«, fragte ich Lorenz, nachdem ich ihn ein Stück von den anderen Jungs weggezogen hatte. In der Schule neigte er dazu, cool zu tun und manchmal auch Witze über mich zu machen. Das unterließ er diesmal immerhin.
    »Die haben mir ’nen Zettel für meinen Alten mitgegeben.«
    »Und warum?«
    Lorenz zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Auf jeden Fall soll mein Alter auf mich einwirken wegen der Klamotten und meiner Haare.« Er strich sich kurz über den pinkfarbenen Hahnenkamm, der am Ansatz schon wieder dunkelblond wurde. »Stell dir vor, der Direx hat mir mit Jugendwerkhof gedroht, wenn ich mich nicht ändere.«
    Ich sah ihn erschrocken an. Was genau in einem Jugendwerkhof vor sich ging, wussten nur die genau, die drin saßen. Aber es gab gruselige Gerüchte.
    »Das können sie doch nicht machen – wegen deiner Frisur!« Irgendwie stank das alles nach Ausrede.
    »Das können sie sehr wohl«, entgegnete er trotzig. »Aber ich werd meinen Iro nicht abschneiden. Stattdessen können die sich bald auf was Besonderes freuen.«
    »Lorenz! Du kannst dir nicht noch mehr Ärger einhandeln. Stell dir mal vor, die machen ernst …«
    Es war ja nicht so, dass sie das nicht schon mal getan hatten. Ein Junge, der ein Hakenkreuz neben den Werkraum in die Wand geritzt hatte und dabei erwischt worden war, war von einem Tag auf den anderen verschwunden. Es wurde gemunkelt, dass er deswegen in den Jugendwerkhof abgewandert sei.
    Lorenz winkte ab, doch in seinen Augen sah ich etwas Angst. »Keine Bange, ich bin doch nicht so blöd und geb denen noch mehr Futter. Sagen wir mal so, ich werde bald das Musterbeispiel eines Schülers sein.«
    Das Grummeln in meiner Magengrube sagte mir was anderes.
    »Was ist, hast du schon mit den ›Wahlverwandtschaften‹ angefangen?«, versuchte er abzulenken.
    »Nee, musste doch die Wandzeitung für die Heinrich machen.«
    »Wandzeitung?« Lorenz zog die Augenbrauen hoch. Als angehender Verlagsmann brauchte er natürlich nicht bei den Jungen Pädagogen anzutanzen.
    »Na du weißt schon«, entgegnete ich. »Das übliche Gelaber. ›Kämpft durch gute Noten Seite an Seite mit dem ZK der SED ‹ und so weiter. Hätte auch mein Stabü-Buch auseinanderschneiden können, aber leider hab ich das von der Schule geliehen.«
    Lorenz prustete los. »Wie schön, dass bei dir noch Hoffnung besteht. Du wirst bestimmt kein Parteibonze werden wie Sabine.«
    »He, Sabine ist meine Freundin!« Dass sie sich bemühte, vorbildlich zu sein, war ja nichts Schlechtes.
    »Ja, das ist sie, und ich sage dir, die wird mal eine ganz tolle Parteifunktionärin.« Er salutierte spöttisch, dann setzte er hinzu: »Man sieht sich, Milka.«
    Ich rollte die Augen.
    Den Spitznamen Milka hatte er mir verpasst, nachdem »Tamara«, unsere Russischlehrerin, die nicht wirklich Tamara hieß, sondern Frau Krause, mich »Milenka« genannt hatte – was wohl so was wie eine Koseform sein sollte, aber dafür hasste ich sie noch immer, denn Lorenz hatte kurzerhand das »en« durchgestrichen und daraus Milka gemacht. »Seh ich aus, als hätte ich lila Flecken?«
    »Nee,

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