Und morgen am Meer
aber ich kann dir zeigen, wie du dir die Haare lila färben kannst, dann passt es!« Damit winkte er mir zu und ging zu den Jungs zurück, die wahrscheinlich gleich von ihm wissen wollten, was wir geredet hatten.
Ich trottete zu Sabine zurück, die auf der Treppe saß und las. »Na, was ist, was hat er gesagt?«
Sollte ich ihr wirklich davon erzählen, dass Lorenz der Jugendwerkhof angedroht worden war?
»Er hat ’nen Zettel für seinen Vater bekommen, wegen seiner Klamotten«, berichtete ich.
»Ich sag’s doch, dass der ’nen Knall hat. Du solltest besser nicht mehr mit ihm reden.«
»Ach, Binchen«, sagte ich zu ihr und legte ihr meinen Arm um die Schultern. »Lorenz ist in Ordnung. Er ist nur ein bisschen rebellisch, das ist alles. Sonst ist er ein lieber Kerl.«
Bevor sie etwas dagegen sagen konnte, klingelte es zur nächsten Stunde und wir nahmen Aufstellung auf dem Schulhof.
Claudius
Die ganze Nacht über hatte ich keine Ruhe. Immer wieder sah ich das Gesicht des Karamellmädchens vor mir, selbst in meinen Träumen war sie aufgetaucht und hatte mich vorwurfsvoll gefragt, warum ich ihre Kassette hätte.
Beim Aufwachen war alles klar. Ich würde wieder rüberfahren!
Als ich mein Zimmer verließ, in der festen Überzeugung, dass ich allein im Haus war – immerhin war es schon zehn –, hörte ich ein Rumoren in der Diele. Meine Mutter war schon längst unterwegs zu ihrer Gymnastik, also konnte es nur mein alter Herr sein. Warum war der noch hier? Verschlafen kam bei ihm nicht infrage, pünktlich um fünf klingelte sein Wecker. Hatte er was vergessen? Beinahe undenkbar bei Anton Hegemann, der das perfekte Gedächtnis besaß und von Pflichtgefühl durchdrungen war.
Irgendwas sagte mir, dass es besser wäre, ihm nicht zu begegnen, doch da war ich schon halb die Treppe hinunter. Natürlich bemerkte er mich und sah nach oben.
»Claudius, du bist noch hier?«, fragte mein Vater streng.
»Wo soll ich denn sonst sein?«, fragte ich zurück. Bis zu meiner letzten Prüfung hatte ich frei. Welchen Grund gab es für mich, mit den Hühnern aufzustehen?
»Ich hatte dir doch von der Veranstaltung an der Uni erzählt. Der Infotag an der Juristischen Fakultät, schon vergessen?«
Das hatte ich tatsächlich. Wahrscheinlich, weil es mich nicht die Bohne interessierte. Vaters Adleraugen sahen mir das an, denn sogleich schnaufte er ungehalten. »Wie wäre es, wenn du ein bisschen mehr Engagement zeigst? Könnte nicht schaden. Wer weiß, vielleicht kannst du dich dann sogar einschreiben und damit deine Zukunftschancen verbessern.«
Ich wusste nicht, wie die Anwesenheit auf einer öden Veranstaltung meine Zukunftschancen erhöhen sollte. Doch ich spürte genau, dass es in diesem Augenblick nicht gut war, Vater zu widersprechen. Wahrscheinlich hatte er auf dem Weg ins Gericht extra einen Abstecher nach Hause gemacht, um mich aus den Federn zu holen und mich zu dem Infotag zu schleifen.
Vater sah nervös auf seine Uhr. »Wenn du in zehn Minuten fertig bist, fahre ich dich rum. Ich habe in der Nähe zu tun, es wäre also kein Umweg.«
Um Knatsch zu vermeiden, nickte ich nur und verzog mich nach oben. Zehn Minuten waren nicht viel, viel zu wenig, um ausgiebig zu duschen oder sonst irgendwelche Umstände mit dem Aussehen zu treiben. Ich wusch mich schnell, schlüpfte in meine Jeans und mein Shirt, wobei es mir in den Fingern juckte, das mit dem Che-Kopf zu nehmen. Ich entschied mich aber für ein normales graues mit einer Knopfleiste am Ausschnitt.
Unten angekommen spürte ich deutlich Vaters Missbilligung. »So willst du in die Uni?«
»Tut mir leid, ’nen Talar hab ich noch nicht«, rutschte es mir raus.
Vater sah mich eisig an. »Das passt zu dir. Große Klappe, aber zu nichts Lust. Schon gar nicht zum Studium. Aber das wird sich ändern, wart’s ab! Du wirst nicht während der ganzen Ferien faul in deiner Bude hängen, sondern bei mir arbeiten, damit du endlich mal lernst, was Arbeit heißt. In deinem Alter habe ich schon einige Jahre bei meinem Vater mitgeholfen!«
Nur dass Großvater einen Werkzeugladen hatte und keine Anwaltskanzlei. Darauf wollte ich ihn jetzt aber nicht hinweisen, sonst hätte er mir noch ’nen Vortrag ans Bein gebunden.
»Na, meinetwegen, komm jetzt«, brummte er nach einem weiteren nervösen Blick auf die Uhr. Offenbar waren wir zur Infoveranstaltung schon spät dran. »Du wirst dir alles anhören, verstanden? Ich frage dich heute Abend ab!«
Manchmal schien mein Vater zu vergessen,
Weitere Kostenlose Bücher