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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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das Land verließen. Ich stellte mir manchmal vor, wie es wäre, selbst unter ihnen zu sein, rauszukommen aus diesem Land. Endlich bei Claudius sein zu dürfen. Und dann wurde ich furchtbar traurig, denn ich wusste nicht, ob ich den Mut dazu hätte, den gleichen Schritt zu tun.
    Erst als ich zu müde und es mir zu kalt wurde, um draußen zu sitzen, ging ich ins Wohnzimmer zurück. Papa hatte heute Nachtschicht und war schon um neun aus dem Haus gegangen. Noch immer redeten wir nicht miteinander. Wann sich das ändern würde? Keine Ahnung. Papa schien allerdings damit zufrieden zu sein, dass ich aufgegeben hatte. Dass ich nicht noch einen Brief geschrieben hatte.
    Vielleicht hätte ich es aus Trotz tun sollen. Aber dann hätte ich alles nur noch schlimmer gemacht, und so viel Mut wie das Paar in »Heroes«, mich in den Kugelhagel zu stellen, hatte ich nicht.
    Schließlich machte ich mich auf dem Sofa lang. Eigentlich wollte ich nur ein wenig an die Decke starren, bis wieder irgendeine Nachrichtensendung kam, die mir mehr über Ungarn und die Flüchtlinge zeigte. Doch dann fielen mir die Lider zu und ich glitt in einen seltsamen Traum.
    Ich sah mich selbst durch den Schnee irren, barfuß und nur mit einem Nachthemd bekleidet. Kälte spürte ich seltsamerweise nicht, im Gegenteil, mir war unerträglich heiß. Plötzlich tauchte vor mir eine Hütte auf. Sie lag auf einem Hügel, der sehr schwer zu erklimmen war. Während ich emporstieg, wurde mir immer heißer und heißer.
    Endlich oben angekommen, öffnete ich die Tür, und aus irgendeinem Grund hoffte ich, Claudius dort zu sehen. Doch mich erwartete der Unbekannte, der mich im Büro des Direktors verhört hatte.
    »So, Sie sind also eine Staatsfeindin«, dröhnte seine Stimme durch mein Ohr und …
    Das Geräusch auf dem Balkon riss mich aus dem Schlaf und vertrieb die unheilvolle Gestalt des Stasimannes. Als ich mich aufrichtete, entdeckte ich einen schwarzen Umriss vor dem Fenster. Für einen Moment glaubte ich, dass ich noch immer träumte, doch als ich mir in den Handrücken kniff, blieb die Gestalt da.
    Einbrecher!, schoss es mir im ersten Moment durch den Kopf. Stasi! im zweiten. Waren sie hier, um mich abzuholen? Doch warum klingelten sie dann nicht unten? Ich konnte unmöglich aus dem dritten Stock auf die Straße springen!
    Die Gestalt rührte sich. Hob eine Hand.
    Mein Herz begann zu rasen. Was sollte ich tun, wenn es wirklich ein Einbrecher war?
    Doch dann klopfte die Gestalt!
    »Milena?«, fragte eine Stimme, die mir nur zu bekannt vorkam.
    Sogleich schoss ich vom Sofa hoch, blieb mit dem Fuß am Couchtisch hängen und fluchte. Der Schmerz, der durch meine Zehen peitschte, wurde aber zur Nebensache, als ich direkt vor dem Fenster stand.
    Claudius! Vollkommen schwarz im Gesicht wie ein Schornsteinfeger!
    Zunächst war ich erschrocken, dann lachte ich auf – ich hielt es jedenfalls für ein Lachen, es hätte auch ein Schluchzen sein können. Was es auch immer war, ich rannte zum Fenster und zerrte am Fensterrahmen.
    Ich brauchte keine Angst zu haben, dass ich Papa damit aufwecken würde, denn er hatte erst um sechs Uhr früh Feierabend. Allerdings – war Claudius verrückt geworden? Wieso kletterte er hier hoch? Er hätte nicht nur abstürzen können – mein Vater hätte ihn erwischen können und dann wäre es richtig schlimm geworden.
    Eine kühle Brise wehte mir entgegen, als sich das Fenster endlich öffnen ließ. Ein Trabi knatterte an unserem Haus vorbei. Der restliche Verkehr der Stadt war ein undeutliches Rauschen im Hintergrund, beinahe so, als würde mein Radio wieder den Geist aufgeben.
    Er war echt. Claudius war echt, er atmete, sein Augenweiß leuchtete wie das von Bergarbeitern, die nach der Schicht wieder nach oben kamen.
    Bis eben hatte ich noch gefürchtet, dass er sich in Luft auflösen würde, dass alles nur ein Traum war, oder schlimmer noch, dass ich den Verstand verlieren würde.
    Doch er war echt. Er war hier.
    »Bist du verrückt geworden?«, fragte ich, nein, flüsterte ich atemlos und fiel ihm dabei um den Hals. Ich hatte ihn so sehr vermisst, wie sehr, wurde mir jetzt noch deutlicher bewusst als in den vergangenen schlimmen Tagen. Der Duft seiner Lederjacke war übertüncht mit dem Geruch, den ich aus der U-Bahn kannte. Wo kam er her? Warum war er so schwarz?
    »Vorsicht, du machst dich schmutzig«, mahnte er mich im Flüsterton, dann küsste er mich.
    Als meine Finger durch sein Haar glitten, spürte ich etwas klebrig

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