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Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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inszeniert
wurde?«
Die Frage kam wie der Schuss aus einer Pistole.
»Überhaupt nicht.« Und als ich danach Lynns Worte
wiedergab, fragte ich mich, ob ich eher überzeugt oder
überzeugend klang. »Ihr geht es einzig und allein darum,
die volle Wahrheit zu erfahren.«
6
    AM NÄCHSTEN MORGEN um elf Uhr lenkte ich mein
Auto auf den Besucherparkplatz von Gen-stone in
Pleasantville, New York. Pleasantville ist eine reizende
Stadt in Westchester, die vor Jahren eine gewisse
Bekanntheit erlangte, als Reader’s Digest dort seinen
internationalen Hauptsitz errichtete.
    Gen-stone befand sich etwa eine halbe Meile vom Digest Gelände entfernt. Es war abermals ein
wunderschöner Apriltag. Während ich zum Gebäude lief,
ging mir die Zeile eines Gedichtes, das ich als Kind
geliebt hatte, durch den Kopf:
    »Oh, to be in England now that April’s there.« An den
Namen des berühmten Dichters konnte ich mich allerdings
nicht erinnern. Wahrscheinlich wache ich heute Nacht um
drei Uhr auf und er fällt mir spontan ein, dachte ich.
    Ein Wachmann stand vor dem Haupteingang. Darüber
hinaus musste ich einen Knopf drücken und mich melden,
bevor die Empfangsdame mich einließ.
    Zufrieden stellte ich fest, dass ich eine gute
Viertelstunde zu früh dran war. Es ist wesentlich
angenehmer, vor einem Termin noch durchatmen und sich
ein bisschen sammeln zu können, anstatt in letzter Minute,
nervös und unter Entschuldigungen anzukommen. Ich
sagte der Empfangsdame, dass ich auf meine Kollegen
warten wolle, und setzte mich in einen der Sessel.
    Gestern nach dem Abendessen hatte ich zu Hause noch
ein bisschen im Internet über die beiden Männer
recherchiert, mit denen wir verabredet waren, Charles
Wallingford und Dr. Milo Celtavini. Ich erfuhr, dass
Charles Wallingford das sechste Familienmitglied in Folge
an der Spitze einer Kette von Möbelgeschäften der
gehobenen Klasse war. Von seinem Urururgroßvater
gegründet, hatte sich das ursprüngliche kleine
Ladengeschäft in der Delancey Street allmählich
vergrößert, war in die Fifth Avenue umgezogen und weiter
expandiert, bis der Name Wallingford’s allgemein zu
einem Begriff geworden war.
    Dem Aufkommen der großen Discount-Möbelketten und
einer Konjunkturflaute begegnete Charles jedoch mit
wenig Geschick, nachdem er die Leitung des
Unternehmens übernommen hatte. Er erweiterte das
Angebot um ein Segment mit sehr viel billigeren Möbeln
und veränderte damit das Image von Wallingford’s. Dann
schloss er eine Reihe von Filialen, gab den verbliebenen
eine neue Ausrichtung und akzeptierte schließlich den
Aufkauf durch ein britisches Unternehmen. Das war vor
ungefähr zehn Jahren.
    Zwei Jahre später hatte Wallingford Nicholas Spencer
kennen gelernt, der sich zu diesem Zeitpunkt darum
bemühte, eine neue Firma zu gründen, Gen-stone.
Wallingford investierte eine beträchtliche Summe in Genstone und übernahm den Posten des
Vorstandsvorsitzenden.
    Ich fragte mich, ob er es mittlerweile bereute, die Möbel
aufgegeben zu haben.
Dr. Milo Celtavini schloss Studium und Promotion in
Italien ab und war die meiste Zeit seines Lebens in der
immunbiologischen Forschung tätig gewesen, bevor er in
das Forschungsteam von Sloan-Kettering in New York
wechselte. Schon kurz danach kündigte er dort und
übernahm das Laboratorium von Gen-stone, weil er davon
überzeugt war, dass sie sich kurz vor einer medizinischen
Revolution befanden.
Ken und Don traten ein, als ich gerade meine Notizen
einpackte. Die Empfangsdame notierte ihre Namen, und
einige Augenblicke später wurden wir zu Charles
Wallingfords Büro geleitet.
Er saß hinter einem Mahagoni-Schreibtisch aus dem
achtzehnten Jahrhundert. Der schwere Perserteppich zu
seinen Füßen war nur so weit verblichen, dass die roten,
blauen und goldenen Farbtöne in seinem Muster in mattem
Glanz schimmerten. Auf der linken Seite standen ein
Ledersofa und mehrere dazu passende Sessel. Die
Holzvertäfelung an den Wänden war in einem warmen
Nussbaumton gehalten. Vorhänge aus schwerem,
dunkelblauem Stoff rahmten die Fenster. Der Raum war
von Tageslicht durchflutet, und die wunderschöne
Gartenanlage draußen ergänzte das Ensemble als
natürliche Dekoration. Es war das Zimmer eines Mannes
mit tadellosem Geschmack.
Das bestätigte den Eindruck, den ich am Montag auf der
Aktionärsversammlung von Wallingford gewonnen hatte.
Obwohl er äußerst angespannt gewesen war, hatte er sich
würdevoll

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