Und morgen in das kühle Grab
scheinen, wenn mehrere aufeinander
folgende Generationen von Blaublütigen sich immer
wieder untereinander verbinden. Adlernase, kühle, blaue
Augen, dunkelbraunes Haar, das an den Schläfen grau zu
werden begann, ein trainierter Körper und feine Hände –
er war das Ebenbild eines Patriziers. Sein dunkelgrauer
Anzug mit den kaum erkennbaren Streifen sah nach
Armani aus. Die Krawatte mit ihrem gedeckten rot-grauen
Muster und ein blütenweißes Hemd vervollständigten die
elegante Erscheinung. Mir fiel auf, dass mehrere Frauen
ihn mit anerkennenden Blicken bedachten, als sie an
unserem Tisch vorübergingen.
Adrian Garner war etwa im gleichen Alter wie
Wallingford, aber damit hörte die Ähnlichkeit auch schon
auf. Er war um einige Zentimeter kleiner, und weder seine
Figur noch sein Gesicht hatten etwas von der natürlichen
Vornehmheit, die Wallingford auszeichnete. Seine
Gesichtsfarbe war kräftig, als ob er viel Zeit in der freien
Natur verbringen würde. Heute trug er eine Brille, die
seinen stechenden Blick aus tief liegenden braunen Augen
nur unwesentlich milderte. Wenn er mich anblickte, hatte
ich das Gefühl, er könne meine Gedanken lesen. Er
verströmte eine Aura von Macht, trotz seiner eher
unauffälligen Kleidung, einem hellbraunen Sportjackett
und braunen Hosen, die aussahen, als ob er sie in einem
Versandhauskatalog bestellt hätte.
Er und Wallingford begrüßten mich. Sie tranken
Champagner, und auf ein Nicken meinerseits füllte der
Kellner mein Glas. Ich sah, dass Garner einen irritierten
Blick auf Lynn warf, die immer noch mit dem Chef der
Maklerfirma plauderte. Sie musste es gespürt haben, denn
sie beendete das Gespräch, drehte sich zu uns und stellte
eine unbändige Freude zur Schau, mich zu sehen.
»Carley, es ist so lieb von dir, dass du so kurzfristig
gekommen bist. Du kannst dir bestimmt vorstellen, auf
was für einer Achterbahn der Gefühle ich mich befinde.«
»Ja.«
»Ist es nicht ein Segen, dass Adrian mich am Sonntag
davor bewahrt hat, irgendwelche unüberlegten
Erklärungen abzugeben, als wir noch glaubten, dass ein
Fetzen von Nicks Hemd gefunden wurde? Und jetzt, wo
wir wissen, dass sich Nick womöglich in der Schweiz
aufhält und dass seine Sekretärin verschwunden ist, jetzt
weiß ich wirklich nicht mehr, was ich denken soll.«
»Aber das ist es nicht, was du sagen wirst«, schaltete
sich Wallingford mit fester Stimme ein. Er sah mich an.
»All dies ist vertraulich«, begann er. »Wir haben die Leute
in der Firma befragt. Für einen Teil der Angestellten war
es offensichtlich, dass Nicholas Spencer und Vivian
Powers ein Verhältnis hatten. Die meisten glauben, dass
Vivian in den letzten Wochen nur noch an ihrem
Arbeitsplatz erschienen ist, weil sie über den Fortgang der
Untersuchungen in Bezug auf das Flugzeugunglück auf
dem Laufenden bleiben wollte. Die US-Staatsanwaltschaft
ermittelt, natürlich, aber wir haben unsererseits eine
Privatdetektei eingeschaltet. Sicherlich wäre es ganz im
Sinne von Spencer gewesen, wenn alle zu dem Ergebnis
gekommen wären, dass er tot sei. Aber nachdem er in
Europa gesehen wurde, ist dieses Spiel vorbei. Jetzt ist
deutlich geworden, dass er in Wirklichkeit geflohen ist,
und nach allem, was wir wissen, ist diese Powers ebenfalls
untergetaucht. Es gab für sie keinen Grund mehr, länger
zu warten, nachdem bekannt geworden war, dass er den
Absturz überlebt hat. Wenn sie geblieben wäre, hätte sie
sich außerdem den Fragen der Behörden stellen müssen.«
»Diese Frau hat tatsächlich etwas Gutes für mich getan.
Die Leute behandeln mich jetzt nicht mehr wie eine
Aussätzige«, sagte Lynn. »Zumindest glauben sie nun,
dass ich genauso von Nick hinters Licht geführt wurde wie
alle ändern. Wenn ich daran denke …«
»Miss DeCarlo, wann, meinen Sie, wird Ihr Artikel
erscheinen?«, fragte Adrian Garner.
Ich überlegte, ob ich die einzige Person am Tisch war,
welche die selbstherrliche Art irritierte, mit der Garner
Lynn unterbrochen hatte. Anscheinend war das eine
Gewohnheit von ihm.
Ich gab ihm absichtlich eine nichts sagende Einerseitsandererseits-Antwort und hoffte, ihn dadurch meinerseits
zu irritieren. »Mr. Garner, manchmal haben wir es mit
zwei unterschiedlichen Ansätzen zu tun. Einerseits geht es
um den Aktualitätswert einer Titelgeschichte, und
selbstverständlich ist alles, was mit Nicholas Spencer
zusammenhängt, von höchster Aktualität. Andererseits ist
es
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