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Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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welchem Grund hat Nick diese Unsummen
gestohlen? Vermutlich werden wir es nie erfahren. Als er
aber mit Sicherheit wusste, dass der Impfstoff unbrauchbar
sein und der Aktienkurs irgendwann einbrechen würde,
gab es keine Möglichkeit mehr, seinen Diebstahl zu
vertuschen, und zu diesem Zeitpunkt hat er wohl
beschlossen abzutauchen.«
Nach dem Lehrbuch des Journalismus sollen Reporter
immer fünf Grundfragen stellen: Wer? Was? Warum?
Wo? Wann?
Ich entschied mich für die mittlere. »Warum?«, fragte
ich.
»Warum hätte er das Geld stehlen sollen?«
»Am Anfang wollte er sich vielleicht mehr Zeit
erkaufen, um doch noch beweisen zu können, dass der
Impfstoff wirksam ist«, sagte Wallingford. »Als ihm
später endgültig klar wurde, dass er sich nicht nur
getäuscht, sondern dass er auch noch die Daten massiv
gefälscht hatte, glaubte er vermutlich, ihm bliebe nur noch
ein einziger Ausweg. Und der bestand darin, möglichst
viel Geld zu entwenden, um für den Rest seines Lebens
davon leben zu können, und dann unterzutauchen. Das
Gefängnis hierzulande ist beileibe nicht der Country Club,
als der es in den Medien geschildert wird.«
Ich fragte mich, ob tatsächlich irgendjemand je ernsthaft
das Leben im Gefängnis mit einem Country Club
verglichen hatte. Was Wallingford und Garner mir durch
die Blume mitteilen wollten, war im Wesentlichen, dass
ich mich als treue Mitstreiterin erwiesen hatte, indem ich
mich auf die Seite von Lynn geschlagen hatte. Jetzt blieb
nur noch, sich darüber zu verständigen, wie ihre Unschuld
bekräftigt und ihrer aller Glaubwürdigkeit
wiederhergestellt werden könnte durch die Art und Weise,
in der ich meinen Teil der Recherchen in die
Titelgeschichte einbringen würde.
Es war an der Zeit, erneut zu wiederholen, was ich
meiner Meinung nach von Anfang an deutlich gemacht
hatte.
»Ich muss noch einmal etwas klarstellen, damit wir uns
richtig verstehen«, setzte ich an.
Unsere Salate wurden serviert, und ich wartete so lange
mit der Fortsetzung meiner Erklärung. Der Kellner hielt
die Pfeffermühle bereit. Nur Adrian Garner und ich
wünschten frisch gemahlenen Pfeffer. Als der Kellner
gegangen war, erklärte ich ihnen, dass ich die Geschichte
so schreiben würde, wie sie sich in meinen Augen
abgespielt hatte. Damit dies möglichst gut gelänge und
alle Seiten eine korrekte Darstellung erführen, müsste ich
noch ein ausführliches Gespräch vereinbaren, sowohl mit
Charles Wallingford als auch mit Mr. Garner, der, wie mir
plötzlich auffiel, mich nicht aufgefordert hatte, ihn beim
Vornamen zu nennen.
Sie willigten beide ein. Widerstrebend? Das zu
behaupten, wäre wohl übertrieben gewesen.
Nachdem das Geschäftliche weitgehend erledigt war,
streckte Lynn über den Tisch hinweg ihre Hände nach mir
aus. Ich war gezwungen, auf ihre Geste zu reagieren und
ihre Fingerspitzen mit den meinigen zu berühren.
»Carley, du warst so gut zu mir«, sagte sie mit einem
tiefen Seufzer. »Ich bin so froh, dass du es genauso siehst:
dass ich mir vielleicht die Hände verbrannt habe, aber dass
sie dennoch sauber sind.«
Die berühmten Worte von Pontius Pilatus gingen mir
durch den Kopf, als er sich vor aller Augen die Hände
wusch:
»Ich bin schuldlos an dem Blut dieses Gerechten.«
Aber was war nun mit Nick Spencer? Wie rein seine
Absichten zu Beginn auch gewesen sein mochten, war er
nicht doch des Diebstahls und Betrugs schuldig
geworden?
Die Last der Beweise war erdrückend. Oder etwa nicht?
30
    BEVOR WIR DAS RESTAURANT verließen,
vereinbarte ich die Termine für meine Interviews mit
Wallingford und Garner. Ich war so vorwitzig und schlug
ein Treffen in ihren jeweiligen Privathäusern vor.
Wallingford, der in Rye wohnte, einem der nobelsten
Wohnviertel von Westchester County, ging bereitwillig
darauf ein und meinte, ich könne ihn am Samstag- oder
Sonntagnachmittag um drei Uhr dort aufsuchen.
    »Samstag würde mir besser passen«, antwortete ich, da
ich an die Cocktailparty dachte, zu der ich am Sonntag mit
Casey gehen wollte. Ich nutzte meinen taktischen Erfolg
zu einem letzten Vorstoß. »Ich möchte außerdem noch
mal in die Firma kommen und mit einigen Ihrer
Angestellten reden, um mir einen Eindruck davon zu
verschaffen, wie sie den Verlust ihrer Betriebsrente und
den Bankrott erleben und was für Auswirkungen das alles
auf ihr Leben hat.«
    Ich bemerkte, dass er rasch überlegte, wie er auf höfliche
Art ablehnen könnte, und fügte

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