Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:

erwarten. Nach der üblichen Werbeunterbrechung war er
der Aufmacher der Sendung.
West sah nicht gerade aus wie eine Inkarnation von
Sherlock Holmes. Er war ein mittelgroßer, dicklicher Typ
mit aufgeblasenen Backen und einer Stirnglatze. Für das
Interview hatten sie ihn auf genau der Café-Terrasse
platziert, auf der er Nicholas Spencer gesehen haben
wollte.
Der Korrespondent von Fox News in Zürich kam sofort
zum Punkt. »Mr. West, hier genau haben Sie gesessen, als
Sie meinten, Nicholas Spencer gesehen zu haben?«
»Ich meine nicht, ihn gesehen zu haben. Ich habe ihn
gesehen«, sagte West mit Nachdruck.
Ich weiß nicht, warum, aber ich hatte erwartet, dass
seine Stimme näselnd oder jammernd klingen würde. Ich
hatte mich getäuscht – seine Stimme war kräftig und
sonor.
»Meine Frau und ich haben überlegt, ob wir auf diesen
Urlaub verzichten sollen«, fuhr er fort. »Wir feiern gerade
unsere silberne Hochzeit und hatten die Reise schon lange
geplant, aber dann haben wir eine Menge Geld durch Genstone verloren. Wie auch immer, am Freitag sind wir
angekommen, und am Dienstagnachmittag saßen wir hier
und sprachen darüber, wie gut es war, nicht zu Hause
geblieben zu sein, als ich zufällig dorthin blickte.«
Er zeigte auf einen Tisch am hintersten Rand der
Terrasse. »Er saß dort hinten. Ich konnte es zunächst nicht
glauben. Ich bin auf genug Aktionärsversammlungen von
Gen-stone gewesen, um Spencer einwandfrei zu erkennen.
Er hatte seine Haarfarbe verändert – er war früher
dunkelblond und ist jetzt schwarzhaarig – aber selbst mit
einer Skimütze hätte ich ihn identifiziert. Ich kenne sein
Gesicht.«
»Sie haben versucht, mit ihm zu sprechen, Mr. West?«
»Mit ihm zu sprechen, na ja, ich habe zu ihm
hinübergerufen: ›Hey, Spencer, ich will mit Ihnen reden.‹«
»Was ist dann passiert?«
»Ich werde Ihnen sagen, was passiert ist. Er sprang auf,
warf ein paar Münzen auf den Tisch und rannte weg. Das
ist passiert.«
Der Nachrichtensprecher deutete auf den Tisch, an dem
Spencer gesessen haben sollte. »Bitte urteilen Sie selbst,
liebe Zuschauer. Unser Beitrag wurde etwa zur gleichen
Tageszeit gedreht wie am Dienstagabend, als Barry West
meinte, Nicholas Spencer an jenem Tisch gesehen zu
haben. Auch das Wetter war an diesem Tag ganz ähnlich.
Wir haben jetzt einen unserer Mitarbeiter, der ungefähr die
Größe und Statur von Mr. Spencer besitzt, an jenen Tisch
gesetzt. Wie deutlich können Sie ihn sehen?«
Aus dieser Distanz hätte der Mitarbeiter tatsächlich
Nicholas Spencer sein können. Aber ich konnte mir nicht
vorstellen, dass jemand, der ihn aus dieser Entfernung und
diesem Blickwinkel sah, ihn einwandfrei hätte
identifizieren können.
Die Kamera schwenkte zurück auf Barry West. »Ich
habe ihn gesehen«, sagte er. »Meine Frau und ich haben
hundertfünfzigtausend Dollar in sein Unternehmen
gesteckt. Ich verlange, dass unsere Regierung Leute
schickt, die diesen Mann aufspüren und herausfinden, wo
er all das Geld gelassen hat. Ich habe hart dafür gearbeitet,
und ich will es zurückhaben.«
Der Fox-Korrespondent fuhr fort: »Nach unseren
Informationen wurde die Suche nach Spencer bereits von
mehreren verschiedenen Behörden aufgenommen, ebenso
wie die Suche nach der verschwundenen Vivian Powers,
der Frau, die die Geliebte von Nicholas Spencer sein soll.«
Das Telefon klingelte, und ich schaltete den Fernseher
aus. Ich hatte mehr als genug davon, mir anhören zu
müssen, wie all diese Leute ihre eigenen Versionen der
Ereignisse zum Besten gaben, ganz egal, wie
unwahrscheinlich diese auch sein mochten.
Meine Begrüßung fiel kurz und ungehalten aus: »Hallo.«
»Hey, hast du gerade kalt geduscht? Du klingst so
aufgeweckt.«
Es war Casey.
Ich musste lachen. »Ich bin ein bisschen müde«, sagte
ich. »Außerdem ein bisschen traurig.«
»Erzähl mir, was los ist, Carley.«
»Herr Doktor, das hört sich so an, als ob Sie mich
fragen: ›Wo tut’s denn weh?‹«
»Genau so meine ich das auch.«
Ich gab ihm einen groben Überblick über den Verlauf
des Tages. »Letztendlich glaube ich, dass sie Marty
Bikorsky ziemlich schnell den Prozess machen werden
und dass Vivian Powers etwas sehr Schlimmes zugestoßen
ist. Der Typ, der Nick Spencer in Zürich gesehen haben
will, könnte zwar Recht haben, aber es ist doch
einigermaßen unwahrscheinlich, da die Entfernung
riesengroß war«, beendete ich meinen Bericht.
»Ist die Polizei wirklich

Weitere Kostenlose Bücher