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Und morgen seid ihr tot

Und morgen seid ihr tot

Titel: Und morgen seid ihr tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Widmer; David Och
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schlägt so lange auf den Kopf seiner Schwester ein, bis David dazwischengeht. Am Abend des 11., wenige Stunden nach seinem cholerischen Anfall, kommt Dumbo vom Basar zurück, bringt uns Kep, Zeitungen, Obst und Sandwiches und sagt freudig erregt, es seien weitere acht Gefangene eingetroffen.
    Dann jedoch gerät die Prozedur wieder ins Stocken. Tagelang geschieht nichts mehr, außer dass unsere Verpflegung immer knapper wird. Von Anfang an haben wir Dumbo im Verdacht gehabt, dass er von den für uns bestimmten Geldern und Lebensmitteln mehr zurückhält, als ihm zustünde. Wir vermuten, dass er keinen Lohn oder Sold bekommt, aber einen gewissen Überschuss für sich behalten darf. Je weniger er für uns ausgibt, desto größer sein Gewinn. Sicher hat er kapiert, dass wir ein enormes Kapital darstellen, immerhin kommt mit Nazarjan immer wieder ein ranghoher Taliban vorbei, vor dem er eine fast ehrfürchtige Unterwürfigkeit an den Tag legt. Er häuft Güter und Fleisch an (das aufgrund der häufigen Stromausfälle neben unserem Bett im Kühlschrank verwest und einen unerträglichen Gestank verbreitet), und für einen Paschtunen dieser Gegend gönnt er sich einen angenehmen Lebensstil. Seit zwei Monaten sind wir nicht richtig satt geworden. David hat, wie wir schätzen, gut zwanzig Kilo abgenommen (tatsächlich werden es am Ende zweiundzwanzig sein). Als wir uns bei Nase einmal beklagen, gibt dieser uns 5000 Rupien (etwa 45   Euro) und sagt, wenn Dumbo wieder behaupte, er habe kein Geld mehr, sollten wir ihm davon geben, das Rückgeld müsse er uns erstatten.
    Einmal tragen wir Mino, hinter Dumbos Rücken, auf, im Dorfladen ein Kilo Reis sowie Tomaten, Zwiebeln und frittierte Apfelringe zu besorgen. Mure kocht, wir stehen gemeinsam um das wärmende Feuer und essen dann zu zwölft mit den Händen aus dem großen Topf. Danach setzt jeder sich auf den sandigen Boden und isst seinen in Teig gebackenen Apfelring. Noch nie haben die Kinder einen ganzen Apfelring für sich allein bekommen, gewöhnlich wird jede noch so kleine Delikatesse geteilt, und selbst für Abwesende wird ein Teil zurückgelegt. Sie verzehren andächtig ihren Nachtisch und schauen uns dabei lächelnd an. Ein Festmahl, von dem Dumbo nichts erfahren darf.
    Am 16.   Dezember hören wir, dass zwei weitere Mudschahedin freigelassen wurden, aber bei diesem Tempo wird es noch zwei Monate dauern, ehe die Zahl Fünfzig erreicht ist. Dann wären wir im Februar noch hier. Wir aber wollen Weihnachten mit den Eltern feiern!
    Zwei Tage später kommt Nase. Wir rechnen ihm vor, wie lange die ganze Prozedur dauern wird, wenn es bei diesem Tempo bleibt. Er kann uns nicht versprechen, dass wir vor Januar in der Schweiz sein werden. Ob wir wenigstens an Weihnachten nach Hause telefonieren könnten? Er zögert, auf Nachfrage schüttelt er den Kopf. Wenigstens lügt er uns nicht an. Als Dumbo anfängt, ein drittes Bett in unser Zimmer zu schieben, sind wir perplex. Erstens brauchen wir kein drittes Bett, und dann haben wir Dumbo noch nie körperlich arbeiten sehen. Damit nicht genug, er schleppt auch noch ein viertes herein, und dann legen wir uns alle schlafen. Dumbo, Nase, David und ich. Nase überprüft, ob seine Waffe unter dem Kopfkissen liegt, dann bittet er David, auf der Klangschale zu spielen. Alle schlafen ein, alle bis auf David, der fast die ganze Nacht daran denkt, dass Nase weit oben auf der Abschussliste der Amerikaner steht. Irgendwer beim CIA könnte die Entscheidung getroffen haben, dass diese sternklare Nacht die richtige für einen Drohnenangriff auf ihn ist. Der Strom ist zurückgekommen, die Heizspirale wirft einen orangefarbenen Schein an die Wände und auf den gepflegten Bart von Nase, der gleichmäßig atmet. Draußen surren die Drohnen am Himmel.
    David flüstert: »Daniela, schläfst du?«
    »Ja, fast, kannst du nicht schlafen?«
    »Nein, die Drohnen sind heute so laut, ich habe das Gefühl, es sind mehrere, sehr tief fliegend, vielleicht wurde Nase markiert.«
    »Meinst du?«, antworte ich. »Wir können nichts tun. Die Tür ist von außen abgeschlossen. Es wird schnell gehen, und wir werden nichts merken.«
    Jetzt kann ich auch nicht mehr einschlafen bis zum Morgengrauen.
    Es kommt der Heilige Abend, wir sind immer noch Dumbos Gefangene. Seine Frau steht kurz vor der Entbindung und kann sich fast nicht mehr um den Haushalt kümmern. Solange sie für das Kochen zuständig war, bekamen wir hin und wieder etwas Schmackhaftes angeboten. Aber nun hat

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