Und nehmen was kommt
einer fremden Sprache, die sie in Ausschnitten ausgezeichnet, in vielen Anwendungsbereichen kaum beherrscht.
Und Philipp? Gut, auch ihm ist eine mögliche Lebenspartnerin wie Monika ganz schön fremd, er wird sich nicht nur eine traumatisierte Frau, sondern auf absehbare Zeit auch eine Art Kind einhandeln, wie er sich mehr und mehr bewußt wird, ein großes Kind, das von seinem Geld, seinen Hilfestellungen, seinen Kenntnissen, seiner Weltgewandtheit, wie weit es auch her sein mag damit, abhängen wird. Das ist bei Gott keine Kleinigkeit. Aber sonst?
Ist es zuviel verlangt, ihm vorzuschlagen, ihr deshalb etwas entgegenzukommen, und zwar ganz wörtlich? Könntest du dir vorstellen, fragt sie und nimmt dafür allen Mut zusammen, daß wir uns an der Grenze, aber eben auf tschechischer Seite, gemeinsam eine Wohnung nehmen? Die sind vergleichsweise billig, und es muß ja nicht auf Dauer sein, für eine gewisse Probezeit eben. Mir wird es sonst zu viel an Veränderung, und auch die einzigen Menschen, die ich habe außer dir, die Frauen aus dem Club, leben dort.
So vernünftig, so gelassen spielen sie sich freilich nicht ab, die Dialoge zwischen Philipp und Monika am Heiligen Abend. Sie ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, wieder einmal alles auf eine, auf diese eine Karte zu setzen, ein letztes Mal, ein erstes Mal an Märchen zu glauben, an den Prinzen, der aus dem angekratzten Zelluloid heraussteigt ins echte Leben, und der Angst vor der Ernüchterung, die unweigerlich kommen muß, denn nichts spricht dafür, daß es gutgehen könnte.
Er wird abspringen, fürchtet sie, wenn er sich sattgesehen hat an mir, herunten ist von Wolke sieben, wenn er realisiert, wie dumm ich bin, wie naiv, wie untauglich für die Welt. Er wird es sicherlich nicht hinnehmen, daß ich mich trotzdem nicht bedingungslos unterordne, daß ich nicht Knetmasse bin in seinen Händen, immer nur dankbar und rehäugig, weil er mich aus der Gosse geholt hat.
Sie hat ihn gern, sehr gern, sie will ihm nichts vormachen, mit offenen Karten spielen. Aber sie wird ihn auch provozieren, immer wieder, gezielt und doch unbewußt, als Ventil für ihre Aggressionen, als Test für seine Bereitschaft, ihr Entscheidungsspielraum zuzugestehen, als Nagelprobe für die Ernsthaftigkeit seiner Absichten. Und sie wird ihn provozieren, um sich selbst wehzutun.
Philipp möchte am Christtag seine Eltern besuchen, außerdem ist ihm nicht ganz gut, alle Glieder schmerzen ihn, wahrscheinlich die Klimaanlage im Flieger oder vielleicht der Temperaturunterschied. Er möchte sich richtig ausschlafen. Und das mit dem Umziehen an die Grenze wird er sich überlegen, meint er mißmutig. Monika fährt weiter nach Tschechien. Sie verspricht ihm, sich hoch und heilig: Keine Drogen, bis er in drei Tagen nachkommt, keine Sexarbeit, vielleicht etwas Tanzen an der Stange, wenn der Chef freundliche Nasenlöcher macht, das bringt schließlich auch fünfzig Euro pro Nacht. Sie will sich vor allem nach Wohnungsmöglichkeiten für sie beide in der Gegend umhören, mit Vera reden, mit ein paar von den anderen Frauen, sich langsam verabschieden. Philipp fesselt derweil die Grippe ans Bett, vor Silvester wird er nicht nachkommen können. Monika fühlt sich alleingelassen, ist er wirklich so plötzlich krank geworden, ist das nicht vielmehr schon der Anfang vom Ende?
Ihre seelische und körperliche Konstitution ist so fragil, jedes Lüftchen weht sie um, wenn sie sich nicht anhalten kann. Ihre SMS -Bombardements läßt er unbeantwortet, er hat das Mobiltelefon abgestellt, fühlt sich hundeelend, ihm ist alles egal, Hauptsache schlafen und dösen können. Die Panik steigt auf in ihr, sie geht ruhelos im Zimmer auf und ab und dann zu ihrer Familie ins Incognito . Dort fehlen Frauen, die Erkältungswelle hat Breschen geschlagen, Monika ist willkommen. In der Arbeitskleidung hängt sie an der Bar herum, weil sie, wie sie sagt, tanzen will, aber sie macht es nicht. Sie wird von Männern angesprochen, schickt sie weg und flucht ihnen auf tschechisch nach, raucht viele Zigaretten, trinkt wenig, hat üble Laune, an die Speedabstinenz hält sie sich.
Was das solle, fährt der Chef sie in der Garderobe an, die Kunden kämen sich über ihr Benehmen beschweren. Das habe ich davon, daß ich dich wieder hereingelassen habe nach all deinen Eskapaden. Entweder du spurst, oder. Er zieht auf und deutet an, wo er hinschlagen wird. Trau dich, faucht Monika ihn an, und du bist ein toter Mann. Mein neuer Freund
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