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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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hätte mein Vater das erledigen sollen. Die Alte war scharf auf ihn, aber er wollte nicht zu ihr gehen und so bat er mich, diesen kleinen Gefälligkeitsauftrag zu übernehmen. Dabei hat mir diese blöde Gans noch nicht mal ’nen Zehner dafür in die Hand gedrückt. Und blöd rumgemeckert hat sie auch noch, warum ich da war und nicht mein Vater. Undankbar, diese Weibsbilder.“
    â€žWie darf man das verstehen, dass Maria Reisinger ‚scharf’ auf Ihren Vater war?“, fragte nun Stefan Alt.
    â€žNachdem sich meine Eltern getrennt hatten und meine Schwester verschwand, da hat Maria wohl gemeint, sie könnte meinen Vater trösten und sich dadurch an ihn ranschmeißen. Sie hat einfach nichts unversucht gelassen, meinem Alten ihre Gefühle und ihre Liebe zu zeigen. Am Anfang waren es selbstgebackene Kuchen für uns, Einladungen zum Abendessen – zu zweit, versteht sich – und gemeinsame Spaziergänge. Aber als mein Vater keine Anstalten machte, ihre Avancen zu erwidern, hat sie zu anderen Mitteln gegriffen.“
    â€žUnd wie sah das aus?“
    Stefan Alt schaute ihn durchdringend an in der Hoffnung, nun weitere Einzelheiten zu erfahren, die für den Ermittlungsverlauf von Bedeutung sein könnten.
    â€žPlötzlich änderte sich ihr Verhalten. Sie wollte nicht nur in der Kirche beim Gottesdienst neben ihm sitzen, nein, sie holte ihn auch ab und brachte ihn nach Hause, wie eine Mutter ihren kleinen Lausejungen. Sie wartete oft vor der Tür, bis der Alte herauskam, nur um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Jeden Tag rief sie hier mehrmals an – ich vermute, sie wollte wohl unbedingt seine Stimme hören – und unterhielt sich mit ihm über die banalsten Dinge. Aber als mein Alter auch daraufhin keine Anstalten machte, ein Interesse an ihr zu haben, da schrieb sie ihm jeden Tag Liebesbriefe – und was für welche. Die Alte hatte echt einen Schuss. Tja, da hat sie’s jetzt hingerafft, aber, selber schuld, die alte Klatsch- und Tratschtante. Vorlauten Leuten wird eben das Maul gestopft – so oder so.“
    â€žEin bisschen mehr Anstand. So können Sie mit Ihresgleichen reden, aber nicht über Tote.“ Karl Strittmatter wurde nun richtig laut. Seine Worte hallten in der hohen Empfangshalle wider und bekamen dadurch eine noch stärkere Gewichtung.
    â€žIst ja schon gut. Aber warum soll ich die denn um die Ecke gebracht haben? Ich hätte mir ja ’nen Heidenspaß zerstört, wenn ich diese Poetin umgebracht hätte. Ihre Briefe waren zu gut und im Dorf der absolute Kracher. Da ist es doch nur zu schade, dass nun die beste Entertainerin von uns gegangen ist.“ Strittmatter wollte wieder etwas erwidern, als ihm Stefan Alt zuvorkam. „Sie haben die Briefe etwa gelesen?“
    â€žJa, warum auch nicht. Mir sind die Tränen gekommen, als ich den ersten Brief gelesen habe. Ich dachte, der Umschlag sei vielleicht irrtümlich hier eingeworfen worden, aber als dann jeden Tag mindestens ein Brief kam, da wusste ich, mein Vater war tatsächlich der Auserkorene.“
    â€žUnd wie hat eigentlich Ihr Vater auf die Briefe reagiert?“
    â€žAch, am Anfang hat er sich nicht groß darum gekümmert. Mal hat er die Augen verdreht, mal hat er sie angerufen und ihr gesagt, dass das sofort aufhören müsse. Aber im Großen und Ganzen, da die Briefflut nach solchen Telefonaten eher noch größer wurde, hat er die Briefe direkt in den Papierkorb befördert und sich nicht weiter drum geschert.“
    â€žGab es sonst keine Reaktion? Schließlich grenzt das ja schon an Stalking, wenn nicht sogar an Psychoterror“, sagte Strittmatter.
    â€žNicht dass ich wüsste, außer vielleicht ...?“
    â€žJa?“
    â€žNa ja, der letzte Brief von ihr war anders. Von außen sah er genauso aus wie die anderen, aber der Inhalt war nicht so wie sonst.“ Gerald stockte. Stefan Alt war sich nicht sicher, ob der junge Mann nach den richtigen Worten suchte oder einfach nicht weitererzählen wollte – auf jeden Fall machte er plötzlich einen unsicheren Eindruck. Er schaute sich im Haus um, kratzte sich am Kopf und tippte mit dem linken Fuß unregelmäßig im Takt.
    â€žDu kannst ruhig fortfahren.“ Stefan Alt hatte genug und hoffte, mit dem Du eine Vertrautheit zu schaffen, die Gerald zum Reden bringen sollte. Eine Taktik, die sich auszuzahlen schien.
    â€žNa ja, die

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