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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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herunterlief. Aber das machte alles nichts, denn als Afife die Tür aufmachte und ihn mit ihren großen, fast schwarzen Augen anstrahlte, da war es um ihn geschehen. Und all der Stress war wie weggeblasen.
    â€žMama, Mama, er ist doch noch gekommen“, rief die Achtjährige und hüpfte in Richtung Küche, in der ihre Mutter gerade den Abwasch erledigte.
    Es duftete angenehm in der kleinen, aber sehr warmen Wohnung, in der neben Afife und ihrer Mutter auch noch der Vater, zwei ältere Brüder und eine jüngere Schwester wohnten.
    Es hatte vor Kurzem erst ein deftiges Abendessen mit allerlei verschiedenen türkischen Spezialitäten gegeben, denn es lagen Düfte von Knoblauch, Petersilie und Kreuzkümmel, aber auch von Koriander, Zimt und Vanille in der Luft.
    Esme Oktay, Afifes Mutter, liebte es, für ihre große Familie zu kochen und zu backen, und auch wenn sie Weihnachten nicht christlich feierten, so durften auch im Hause Oktay Plätzchen und Lebkuchen genauso wenig fehlen wie Christstollen oder Zimtsterne.
    Von irgendwoher hörte Stefan Alt einen Fernseher laufen, und als er einen Torschrei vernahm, musste er augenblicklich an Karl Strittmatter denken, der wohl gerade zu Hause mit einer Tiefkühlpizza und seiner obligatorischen Flasche Feierabendbier vor dem heimischen Fernseher saß.
    Ãœberall in der Wohnung hingen bunte Perlenvorhänge, orientalische Tuchlampen und handgeknüpfte Teppiche, die jedem Raum eine ganz eigene Atmosphäre gaben. Während er es eher klar und modern, fast schon spartanisch leer in seinen vier Wänden liebte, hatte diese Wohnung etwas von einem kitschigen und überfrachteten Harem. Und doch fühlte sich der 34-Jährige hier mehr als wohl.
    Die Oktays waren zu seiner zweiten Familie geworden. Vom Integrationsprogramm des Landkreises vermittelt, besuchte er sie seit mehr als einem Jahr jeden Montagabend, um die Eltern bei bürokratischen Angelegenheiten wie der Steuererklärung, Amtsschriften und Versicherungsschreiben zu unterstützen, den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen und gemeinsam mit den beiden kleinen Mädchen vor dem Zubettgehen noch so manche Gutenachtgeschichte zu lesen, um das Deutsch der beiden jüngsten Oktay-Sprösslinge zu verbessern. Denn auch bei den Oktays wurde innerhalb der Familie fast nur Türkisch gesprochen.
    Die vier Kinder hatten es Stefan besonders angetan. Vor allem der kleinen Afife mit ihrem fröhlichen Lachen, den langen dunkelbraunen Haaren und der immerwährenden guten Laune gehörte sein ganzes Herz.
    Stefan Alt liebte Kinder, wollte selbst lieber mehr als weniger davon haben, doch seine Freundin Tina war nicht für frühzeitigen Nachwuchs. Sie wollte sich lieber erst einmal um ihre Karriere als Versicherungsfachangestellte kümmern, und da hatten nun mal Kinder keinen Platz. Er möge das doch bitte verstehen, so klangen ihm noch die Worte aus unzähligen Diskussionen mit seiner Lebensgefährtin im Kopf. Doch gerade dieses Gefühl des Nichtverstandenwerdens war es, das sich wie eine schwere Last auf seine Seele legte.
    Auf seinen Strümpfen über die dicken Wollteppiche dahingleitend folgte er seinem Schützling in die Küche. Afife lachte, als sie seine dicken Norwegersocken sah.
    â€žDa ist ein Loch drin“, gluckste sie, und Stefan verbarg seinen kleinen Fauxpas, indem er seinen linken Fuß auf den rechten legte, wobei er fast sein Gleichgewicht verlor und sich – wenn auch etwas theatralisch – nur mit Mühe am Türrahmen festhalten konnte, was Afife noch mehr zum Gackern animierte.
    â€žIch schau mal, ob ich dir welche von Kamil geben kann“, sagte nun Esme, die sich die Hände an einem ehemals weißen Geschirrhandtuch abtrocknete und beim Lächeln ihrer Tochter in nichts nachstand.
    â€žBist aber ganz schön spät. Aksu ist schon im Bett und schläft. Und mit den Hausaufgaben wird das heute auch nichts mehr, die Jungs sind nämlich schon fertig und bei ihren Freunden“, holte Esme die fehlende Begrüßung mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton nach. Sie kramte in einem Kleiderschrank, der aus Platzgründen im Flur aufgestellt worden war, nach den Socken ihres Mannes, während Afife auf ihrem Stuhl hin und her turnte.
    â€žAber lesen ist noch drin, oder?“, fragte sie ihre Mutter und düste schon einmal in ihr Kinderzimmer.
    â€žIch hab ganz vergessen: Willst du einen guten

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